Der Mühlhiasl war ein angeblicher Weissager und Prophet aus dem Bayerischen Wald. Sein Name taucht in keinem zeitgenössischen Dokument auf, er hieß vermutlich Matthäus Lang, Mathias Lang oder Matthias Lang, nach anderen Angaben Johann Lang (* 16. September 1753 oder 28. April 1755; † 1805 in Straubing, 1809 in Rabenstein oder 1825 in Hunderdorf). Man nannte ihn auch den Waldpropheten. Die Identität des Mannes ist mangels eindeutiger Quellen äußerst strittig, sein Leben und Wirken gilt aber als wahrscheinlich.
Der Mülhiasl soll nach verbreiteter Ansicht von Heimatforschern in Apoig (heute zur Gemeinde Hunderdorf, Landkreis Straubing-Bogen gehörend) gelebt haben und das fünfte Kind des Mühlen-Pächters Mathias Lang und seiner Ehefrau Maria gewesen sein (daher könnte der Name stammen). Am 23. Dezember 1778 soll Matthäus Lang diese Obere Klostermühle übernommen haben, die den Mönchen des Klosters Windberg zinspflichtig war. Am 19. August 1788 heiratete Lang die Bauerstochter Barbara Lorenz aus Racklberg und hatte mit ihr insgesamt acht Kinder, die zwischen 1789 und 1800 geboren wurden (einige starben im Kindesalter). 1799 geriet Lang in wirtschaftliche Schwierigkeiten, musste beim Kloster ein Darlehen aufnehmen, das er 1801 nicht zurückzahlen konnte, verlor seinen Pachtvertrag und musste das Mühlen-Anwesen verlassen. Aus Wut auf die Chorherren, mit denen er auch wegen der Lieferung von angeblich verdorbenem Mehl zerstritten gewesen sein soll, soll er seine erste öffentliche Prophezeiung gemacht haben: Die Mönche müssten schon bald selbst ihr Kloster verlassen. Das war 1803 bei der Säkularisation in Bayern tatsächlich der Fall, das Kloster wurde aufgelöst und als Unterkunft für Bedürftige genutzt.
Über das weitere Leben von Matthäus Lang gibt es wenig schriftliche Quellen. Möglicherweise trennte er sich von seiner Familie und zog als Wanderarbeiter und Tagelöhner durch den Bayerischen Wald. Nach (unzuverlässiger) mündlicher Überlieferung soll er sich häufig im Dorf Rabenstein im Zwieseler Winkel aufgehalten haben. Das ließ den Verdacht aufkommen, dass es sich um zwei Personen mit angeblichen Seherfähigkeiten gehandelt haben könnte, die ungefähr um die gleiche Zeit lebten, nämlich einerseits Matthäus Lang aus Hunderdorf und andererseits der Waldhirte Matthias Stormberger aus Rabenstein. Mühlhiasl-Biograf Manfred Böckl vertritt die These, "Stormberger" sei die hochdeutsche Version von "Stoaberger", und als solcher sei Matthäus Lang im Rabensteiner Dialekt bezeichnet worden, als Mann aus der Herrschaft Steinberg im Vorwald. Er habe in einer örtlichen Glashütte als Kohlenbrenner gearbeitet und auf Hochweiden die Rinder der Waldbauern gehütet.
Mutmaßlich war Lang zu der Zeit bereits ein Sonderling, der wegen seiner beruflichen Tätigkeit viel in der freien Natur unterwegs war. Mangels Quellen lässt sich nicht beurteilen, inwieweit er als Einzelgänger lebte oder Umgang mit der örtlichen Bevölkerung hatte. Fest steht, dass er all seine "Prophezeiungen" mündlich äußerte, wohl gegenüber Hirten, Knechten und Bauern der Gegend. Er soll regelrechte Anfälle gehabt haben, in denen er wie im Delirium zu seinen Zuschauern sprach. Wegen seiner lebenslangen Zwistigkeiten mit der kirchlichen Obrigkeit soll er außerhalb des früheren Friedhofs von Zwiesel begraben worden sein, auf dem heutigen Stadtplatz, etwa dort, wo das Kriegerdenkmal steht.
Die Ehefrau von Matthäus Lang, Barbara geb. Lorenz, betrieb mit einem Mathias Lang eine Gärtnerei in Straubing. Die Namensgleichheit beider Männer bei unterschiedlicher Schreibweise führte zur Spekulation des Frauenauer Volkskundlers Reinhard Haller, den Mühlhiasl habe es nie gegeben. Der Straubinger Mathias Lang starb 1805. Barbara geb. Lorenz wurde aber nach den Eintragungen in der Einwohnerliste von Straubing stets allein geführt und erst ab 1809 offiziell als Witwe bezeichnet, woraus Manfred Böckl ableitet, dass Mathias Lang nicht ihr Gatte war und ihr eigentlicher (getrennt lebender) Ehemann Matthäus Lang, der möglicherweise Miteigentümer der Gärtnerei war, 1809 in Rabenstein starb. Der Pfarrer Johann Evangelist Landstorfer plädierte in einem Artikel im Straubinger Tageblatt vom 28. Februar 1923 für eine abermals andere Schreibweise des Namens: Matthias Lang. Der Heimatforscher Sigurd Gall vertritt die Ansicht, es habe sich vielmehr um Johann Lang gehandelt, der nach dem Kirchenbuch der Pfarrei Hunderdorf im Juli 1825 starb. Diese Identität nimmt auch der ehemalige Straubinger Schulleiter Wolfgang Odzuck an und behauptet in seiner ausführlichen "Tatsachenerhebung", der Mühlhiasl sei christlicher Prophet in der biblischen Tradition gewesen und habe "göttliche Eingebungen" gehabt, eine Ansicht, die für eine heftige Kontroverse in der niederbayerischen Heimatforschung sorgte ("theologische Irrlehre").
Wie bei vielen anderen Visionären waren die Prophezeiungen des Mühlhiasls vieldeutig und sinnbildlich. Viele sind mit dem suggestiven Nachsatz versehen: "Kein Mensch will's glauben." Seine bekanntesten Voraussagen sind wohl die von einem kommenden "letzten" Krieg, den er als Zeit des "Bänkeabräumens" bezeichnete. Die Zeit vor diesem Krieg sollte an verschiedenen Zeichen erkennbar sein, die von ihm nur vage, aber bildstark angedeutet wurden und daher die Fantasie der Zuhörer und Nachgeborenen anregten. Die Versuche, diese Vorhersagen aus näherem und fernerem zeitlichen Abstand auf tatsächliche Geschehnisse zu beziehen, sind zahlreich, ebenso wie seine Vereinnahmung durch die Esoterische Literatur.
Nach diesem Krieg soll ein zweiter kommen und ein dritter. Danach sollte ein "goldenes Zeitalter" folgen. Der Mühlhiasl soll auch den ungefähren Beginn der beiden Weltkriege vorhergesagt haben. Das großflächige Absterben der geschwächten Bäume des bayerischen Waldes soll ebenfalls vorhergesagt worden sein:
Er soll sich auch politisch und gesellschaftskritisch geäußert haben:
Ob es die Prophezeiungen wörtlich oder auch nur sinngemäß jemals gegeben hat, lässt sich nicht mehr belegen. Die Bewohner des Bayerwaldes galten zu Lebzeiten des Mühlhiasl wegen der Abgeschiedenheit der Gegend und der harten Lebensbedingungen als besonders abergläubisch und der Mystik zugetan. Die um 1800 einsetzende Romantik verklärte solche Außenseiter und Sonderlinge. Das angebliche Leben des Matthäus Lang erfüllt denn auch alle Stereotype romantischer Literatur: Der Vater soll Müller gewesen sein, der Mühlhiasl verließ die Mühle, brach mit der Gesellschaft, ging in den Wald, wurde Hirte und Kohlenbrenner und stand in Verbindung mit übersinnlichen Mächten. ähnliche Motive finden sich zahlreich in den Romanen und Märchen von Adelbert von Chamisso, E.T.A. Hoffmann, Wilhelm Hauff, Joseph von Eichendorff, Ludwig Tieck und anderen romantischen Autoren.
Erzählt werden die wohl auch märchenhaft ausgeschmückten Geschichten des Mühlhiasl immer noch, und fast alle Menschen der Region kennen einige Zitate, die ihm zugeschrieben werden. Alte Bauern und Holzfäller bringen dem Mühlhiasl — ob es ihn nun gegeben hat oder nicht — heutzutage noch Respekt und Glauben entgegen, während Kritiker vermuten, dass es sich bei vielen eingetroffenen Prophezeiungen um vaticinia ex eventu handelt, also nachträglich gestrickte Legenden.
Bernd Harder: Das Lexikon der Großstadtmythen, S. 186-189, Piper ISBN 3-492-24660-5
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