Whistleblower Schutz: Fall Assange zeigt Verlogenheit von EU und Deutschland

Der Fall des Whistleblowers Julian Assange und der angebliche Schutz von Whistleblower zeigt die Verlogenheit von Deutschland und der Europäischen Union. Deutschland hat Assange bis heute kein Asyl angeboten. Nächste Woche gibt es vor dem High Court (England) eine Anhörung zur möglichen Auslieferung an die USA.

19. Februar 2024

Julian Assange, Gründer von WikiLeaks

Julian Paul Assange (* 3. Juli 1971 als Julian Hawkins in Townsville, Queensland) ist ein australischer investigativer Journalist, Politaktivist, ehemaliger Computerhacker, Programmierer und Gründer sowie Sprecher der Enthüllungsplattform WikiLeaks (wikileaks.org). Diese hat sich zum Ziel gesetzt, geheim gehaltene Dokumente allgemein verfügbar zu machen, sofern sie unethisches Verhalten von Regierungen, Unternehmen oder militärischen Einrichtungen betreffen und somit von öffentlichem Interesse sind. Die Plattform sammelt Dokumente von Regimekritikern und Whistleblowern aus vielen Ländern der Welt und stellt sie online zur Verfügung. Dafür erhielt Julian Assange zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Amnesty International Media Award (2009), den Global Exchange Human Rights Award (2013), den Stuttgarter Friedenspreis (2020) und den Konrad-Wolf-Preis (2023). Assange steht derzeit in den USA unter Anklage, wo ihn bis zu 175 Jahre Haft erwarten oder im schlimmsten Fall die Todesstrafe, weil er geheime Unterlagen der Regierung veröffentlichte, die unter anderem Kriegsverbrechen belegten. Das Auslieferungsverfahren von Großbritannien in die USA dauert seit mehreren Jahren an und wird in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert.

Überblick

Im Jahr 2010 publizierte WikiLeaks gemeinsam mit der New York Times, dem Guardian und dem Spiegel Auszüge aus Militärprotokollen, die unter anderem Kriegsverbrechen der USA während der Kriege in Afghanistan und im Irak belegten. Im Juli 2010 veröffentlichte WikiLeaks weitere interne Dokumente der US-Streitkräfte und -Behörden. Die darin enthaltenen Kriegstagebücher des Krieges in Afghanistan und im Oktober 2010 des Irakkrieges deckten laut dem UN-Sonderberichterstatter über Folter, Nils Melzer, "mutmaßliche Kriegsverbrechen und Korruption" auf. Die Offenlegung der Militärprotokolle erregte weltweite Aufmerksamkeit.

Die US-Regierung leitete Ermittlungen gegen Assange ein. Hinzu kam im August 2010 ein Haftbefehl in Schweden wegen vorgeblicher Sexualdelikte. Assange befürchtete seine Auslieferung in die USA und entzog sich der drohenden Auslieferung aus Großbritannien nach Schweden im Juni 2012 durch Entledigung seiner elektronischen Fußfessel und floh in die ecuadorianische Botschaft in London. Ecuador gewährte ihm politisches Asyl, ermöglichte seinen dauerhaften Aufenthalt in der Botschaft und sprach ihm die ecuadorianische Staatsbürgerschaft zu. Die nächsten sieben Jahre lebte Assange dort als politischer Flüchtling.

2016 erhob der US-Sonderermittler Robert Mueller den Vorwurf, WikiLeaks habe Russland beim Eingriff in den Präsidentschaftswahlkampf beraten. Assange dementierte dies. Die Klage wurde abgewiesen.

Im April 2019 entzog ihm der neue ecuadorianische Präsident Lenín Moreno Asyl und Staatsbürgerschaft. Kurz darauf wurde Assange in der ecuadorianischen Botschaft von der britischen Polizei festgenommen und wegen Verstoßes gegen Kautionsauflagen zu einer Haftstrafe von fünfzig Wochen verurteilt. Die Vereinigten Staaten ersuchten das Vereinigte Königreich im selben Monat um seine Auslieferung. Auf die Anklagepunkte der US-Anklageschrift steht eine kumulierte Strafe von bis zu 175 Jahren Haft, schlimmstenfalls die Todesstrafe.

Nach Verbüßung der einjährigen Haftstrafe im September 2019 blieb Assange aufgrund des Auslieferungsantrages der Vereinigten Staaten in Haft. Die Ermittlungen zu den vorgeblichen Sexualdelikten wurden bereits im Mai 2017 mangels Beweisen eingestellt. Im Januar 2021 entschied ein Londoner Gericht, dass Assange nicht an die USA ausgeliefert wird. Im Dezember 2021 hob ein Berufungsgericht in London diese Entscheidung jedoch auf. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates votierte im Januar 2020 einstimmig für die "sofortige Freilassung" von Julian Assange sowie die Verhinderung seiner Auslieferung in die USA. Diesem Appell schloss sich im Mai 2022 eine fraktionsübergreifende Gruppe von Bundestagsabgeordneten in einem offenen Brief an das britische Innenministerium an. Am 17. Juni 2022 bewilligte die britische Regierung die Auslieferung an die Vereinigten Staaten. Assanges Verteidigung reichte Berufung gegen das Urteil ein, weshalb er sich weiterhin in Großbritannien im Hochsicherheitsgefängnis HMP Belmarsh befindet. Der australische Premierminister Anthony Albanese sowie internationale Medienhäuser, darunter der Guardian, Le Monde und die New York Times, forderten die US-Regierung im November 2022 auf, die Strafverfolgung von Assange einzustellen. Die USA lehnen dies ab. Im Juni 2023 wurde der Antrag auf Berufung vom obersten Gerichtshof High Court London abgewiesen. Für Februar 2024 ist dort letztmalig eine Anhörung angesetzt.

Werdegang bis 2010

Erste Programmiererfahrungen sammelte Assange auf einem C64. Im Jahr 1987 beschaffte er sich ein Modem. Sein Hacker-Pseudonym war zunächst "Mendax", dann verwendete er den Namen "Proff", eine Anspielung auf den Science-Fiction-Roman Cryptonomicon von Neal Stephenson. Er und zwei weitere Hacker gründeten die Gruppe "International Subversives". Daraufhin führte die Australian Federal Police 1991 in seinem Melbourner Haus eine Razzia durch. Im Jahr 1992 wurde Julian Assange in 24 Fällen des illegalen Hackens für schuldig befunden, weshalb er ein Bußgeld von 2100 australischen Dollar bezahlen musste und eine Bewährungsstrafe erhielt. Im Jahr 1995 schrieb Assange den ersten freien Portscanner namens Strobe. Er beschäftigte sich auch mit Verschlüsselungssoftware und erfand 1997 das Dateisystem Rubberhose, das einen glaubhaft abstreitbaren Verschlüsselungsmechanismus darstellt.

Während seiner Zeit als Hacker lernte Assange seine spätere Frau kennen. Im Jahr 1989 zogen beide zusammen, ein gemeinsamer Sohn wurde geboren. Das Paar trennte sich 1991. Nach einem jahrelangen Rechtsstreit einigten sich Assange und seine Mutter Christine 1999 mit seiner ehemaligen Frau auf ein gemeinsames Sorgerecht.

Seit 2006 ist Assange für WikiLeaks aktiv. Nach eigener Aussage hat er "im Internet Geld verdient" und konnte somit unbezahlt für WikiLeaks arbeiten. Mehrmals wurde er festgenommen, abgehört, zensiert und erfolglos verklagt. Im Jahr 2011 wurde Assange von dem damals 18-jährigen Sigurdur Thordarson, der anderthalb Jahre bei WikiLeaks volontierte, für das FBI ausspioniert.

Ab 2007 war Assange Mitglied der australischen Journalistengewerkschaft Media, Entertainment & Arts Alliance (MEAA) (The Alliance).

Im September 2010 verließ Daniel Domscheit-Berg WikiLeaks, nachdem Assange ihn vier Wochen zuvor suspendiert hatte. Als Assanges engster Vertrauter hatte Domscheit-Berg zunehmend die Arbeitsweise von WikiLeaks kritisiert: Er wollte feste Strukturen, ein Büro, bezahlte Angestellte sowie eine offene Diskussion darüber. Später verarbeitete er seine Kritik in einem Buch. In der folgenden juristischen Auseinandersetzung warf ihm Assange vor, Materialien und Datenbestände entwendet und veröffentlicht zu haben.

Veröffentlichung von US-Militär-Dateien

Ab März 2010 veröffentlichte WikiLeaks geheime US-Militärdokumente und Videos zu den internationalen Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan, welche die Whistleblowerin Bradley Manning (später Chelsea Manning) übergeben hatte. Nachdem eine erzwungene Abschaltung der WikiLeaks-Server in den USA zu befürchten war, stellte Mitte August 2010 die schwedische Piratenpartei Piratpartiet WikiLeaks ihre Internetserver zur Verfügung, zusätzlich zu den bereits in Solna bestehenden Servern des Unternehmens PRQ AB.

Da Journalisten in Schweden einen ungleich umfassenderen Quellenschutz als anderswo genießen, allerdings nur bei Besitz des "Utgivningsbevis", einer speziellen schwedischen Lizenz, hatte Assange seinerseits etwa zur selben Zeit eine schwedische Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis beantragt. Der Gründer und ehemalige Parteivorsitzende der Piratpartiet, Rickard Falkvinge, teilte in diesem Zusammenhang den Medien mit, dass Assange mit einem schwedischen Wohnort den Status eines "medienverantwortlichen Herausgebers" anstreben und damit eine Basis dafür schaffen würde, WikiLeaks auf legaler Grundlage weiterzuführen.

Etwa zur gleichen Zeit (im August 2010) hatten zwei Frauen Assange bei der schwedischen Polizei wegen sexueller Vergehen beschuldigt. Die schwedische Staatsanwaltschaft hatte daraufhin im August 2010 einen Haftbefehl wegen Vergewaltigung gegen ihn ausgestellt, der kurz darauf aber vorerst wieder zurückgenommen wurde. Nach Assanges Antrag einer dauerhaften Aufenthaltserlaubnis für Schweden wurden die Ermittlungen dann wieder aufgenommen. Sein Antrag auf Aufenthaltserlaubnis wurde im Oktober 2010 ohne Angabe von Gründen abgelehnt. Nachdem Assange inzwischen — mit offizieller Erlaubnis der schwedischen Justiz — nach Großbritannien gereist war, stellte die schwedische Justiz im November 2010 einen internationalen Haftbefehl wegen des Verdachts der Vergewaltigung aus. Assange stellte sich daraufhin in London der Polizei, wurde gegen Kaution unter Auflagen — unter anderem das Tragen einer elektronischen Fußfessel — freigelassen und versuchte daraufhin mit juristischen Mitteln seine Auslieferung nach Schweden zu verhindern.

Anfang November 2010 erklärte Assange, er erwäge in der Schweiz Asyl zu beantragen und WikiLeaks dort anzusiedeln. Damit sollten die politisch brisanten Aktivitäten der Enthüllungsplattform abgesichert werden. Die Chancen zur Annahme dieses Asylantrags seien nach Angaben der Schweizerischen Flüchtlingshilfe gering. Assange müsse zuerst den Schutz seines Heimatlandes Australien in Anspruch nehmen und glaubhaft machen, dass Australien ihn nicht schützen könne, was sehr schwierig sei. Tatsachen über einen entsprechenden Asylantrag sind nicht bekannt.

Reaktionen

Julian Assange sah sich in den USA im Jahr 2010 scharfen Angriffen aus Politik, Medien und Militär ausgesetzt. Einige Stimmen forderten seine Hinrichtung nach einem Strafprozess, so der ehemalige Gouverneur von Arkansas Mike Huckabee: "Alles außer einer Hinrichtung ist eine zu milde Strafe." Die ehemalige US-Regierungsbeamtin und politische Kommentatorin für Fox News, Kathleen McFarland, forderte die Todesstrafe, falls er in einem Strafprozess für schuldig befunden werde (orig. "If he's found guilty, he should be executed").

Der Fox-News-Moderator Bill O'Reilly sagte, dass er sich sehr freuen würde, wenn Assange "von einer kleinen Drohne getroffen würde". Der Politikwissenschaftler Tom Flanagan schlug in einem Interview mit CBC News einen Anschlag mittels einer bewaffneten Drohne vor (orig.: "use a drone or something [...] Assange should be assassinated"), zog diese Aussage aber nach einer Strafanzeige zurück.

Am 6. Dezember 2010 äußerte sich der Fox-Moderator Bob Beckel in der Sendung Follow The Money mit: "Ein toter Mann kann keine Sachen veröffentlichen. Der Typ ist ein Verräter, er ist verräterisch, und er hat jedes Gesetz der Vereinigten Staaten gebrochen. [...] Und ich bin nicht für die Todesstrafe, also [...] gibt es nur einen Weg, es zu tun: den Hurensohn illegal erschießen." — Bob Beckel: Fox Business

Der landesweit sendende Radiomoderator Rush Limbaugh empfahl, WikiLeaks-Gründer Assange "aufzuknüpfen". Sarah Palin stellte die Frage, warum man Assange nicht mit demselben Nachdruck verfolgen würde wie Führer der al-Qaida oder der Taliban.

Als Reaktion forderte Assange in der britischen Zeitung The Guardian, Flanagan und andere sollten wegen Aufforderung zum Mord strafrechtlich verfolgt werden. "Wenn wir in einer Zivilgesellschaft leben wollen, können nicht hochrangige Leute im nationalen Fernsehen dazu aufrufen, das Justizwesen zu umgehen", sagte er dem US-Sender MSNBC.

Asyl in der ecuadorianischen Botschaft in London 2012 bis 2019

Um die erwartete Auslieferung nach Schweden zu verhindern, flüchtete Assange am 19. Juni 2012 unter Missachtung der Kautionsauflagen aus seinem erweiterten Hausarrest überraschend in die ecuadorianische Botschaft in London und beantragte dort politisches Asyl. Sein Heimatland Australien gewähre ihm nicht die notwendige Unterstützung und er befürchte, über Schweden in die Vereinigten Staaten ausgeliefert zu werden, wo ihm die Todesstrafe drohe. Schweden erklärte daraufhin, dass Auslieferungen nur unter strengen Bedingungen und bei einer drohenden Todesstrafe niemals möglich seien. Zudem hätten die USA noch gar keine Anklage erhoben. Im November 2013 erklärte die Obama-Regierung, dass sie Assange nicht wegen der Veröffentlichung geheimer Dokumente nach dem umstrittenen Spionagegesetz anklagen könnte. Der Außenminister Ecuadors, eines Unterzeichnerlandes der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, Ricardo Patiño, erklärte im Juni 2012 zunächst, das Asylgesuch von Assange werde geprüft und Assange stehe unter dem Schutz der Botschaft. Die Botschafterin Ecuadors in London, Ana Albán Mora, wurde zu Konsultationen in ihr Heimatland zurückgerufen. Der linkspopulistische Präsident Ecuadors, Rafael Correa, war im Mai Gast bei Assanges Talkshow The World Tomorrow. Bereits im April 2011 hatte Ecuador die US-Botschafterin Heather M. Hodges ausgewiesen. Sie hatte in einer von WikiLeaks veröffentlichten Botschaftsdepesche Präsident Rafael Correa die Duldung von Korruption vorgeworfen. Die USA hatten darauf ihrerseits mit der Ausweisung von Luis Gallegos, dem ecuadorianischen Botschafter in Washington, D.C., reagiert.

Da Assange mit der Flucht in die Botschaft gegen seine Kautionsauflagen verstieß, drohte ihm die britische Polizei mit der Festnahme, falls er die Botschaft wieder verlassen sollte. An seinem Asylbegehren wurde kritisiert, dass Ecuador entgegen Assanges Vorstellungen und Zielen 2012 in der jährlich von Reporter ohne Grenzen veröffentlichten Rangliste der Pressefreiheit weit unten auf Platz 104 stand. Jemima Khan, die einen Teil der Kaution für Assange hinterlegt hatte, äußerte sich über Twitter kritisch. Sie habe von ihm erwartet, sich den Vorwürfen in Schweden zu stellen. Andere prominente Unterstützer Assanges beteiligten sich hingegen an einer Kampagne zugunsten seines Asylbegehrens. Im Juli übernahm der spanische Jurist Baltasar Garzón kostenlos die Leitung der Verteidigung von Assange.

Die schwedische Staatsanwaltschaft lehnte ein Angebot von Assanges Anwälten, ihn in der Londoner Botschaft zu verhören, zunächst ab. Im August 2012 gab Ricardo Patiño bekannt, dass sein Land Julian Assange politisches Asyl gewähre. Der ehemalige britische Außenminister William Hague erklärte daraufhin, Großbritannien erkenne das "Prinzip des diplomatischen Asyls" nicht an. Wenige Tage später hielt Assange vom Balkon des Botschaftsgebäudes eine vorher angekündigte Rede an Unterstützer, die sich auf der Straße versammelt hatten. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) beraumte wegen des diplomatischen Streits zwischen Großbritannien und Ecuador eine Dringlichkeitssitzung an.

Im August 2014 kündigte Assange an, die Botschaft "bald" zu verlassen, ohne dass es tatsächlich dazu kam. Ecuadors Außenminister Ricardo Patiño wiederholte im Guardian veröffentlichte Aufrufe, Assanges Situation zu klären, und sagte, es seien "zwei verlorene Jahre" vergangen, seit er die Botschaft betreten habe: "Wir rufen die internationale Gemeinschaft, insbesondere die Journalisten, erneut auf, sich einer dringend benötigten internationalen Kampagne anzuschließen, um Freiheit und Menschenrechte für Assange zu garantieren". WikiLeaks-Sprecher Kristinn Hrafnsson erklärte: "Er ist jederzeit bereit zu gehen, sobald die lächerliche Belagerung draußen aufhört und ihm sichere Passage angeboten wird." Auf die ausdrückliche Frage, ob es Pläne für Assange gäbe, sich der britischen Polizei zu stellen, die rund um die Uhr Wache vor der Botschaft hielt, antwortete Hrafnsson: "Nein."

Im Juni 2015 lehnte Ecuador eine Anfrage Schwedens für eine Befragung Assanges in der Botschaft in London zunächst ab. Im Dezember 2015 einigten sich beide Länder schließlich nach längeren Verhandlungen auf die Bedingungen einer Befragung in Bezug auf den Vergewaltigungsvorwurf. Die Ermittlungen zu den übrigen Anklagepunkten mussten die schwedischen Behörden in der Zwischenzeit einstellen, da sie fünf Jahre nach der Anzeige im August 2015 verjährt waren. Im Januar 2016 übermittelte Schweden dann die Fragen, die von ecuadorianischen Beamten an Assange gestellt werden sollten, doch Ecuador lehnte die Befragung zunächst erneut ab. Ein weiterer Termin im Oktober 2016 wurde ebenfalls abgesagt.

Im September 2016 gab Assange über den Twitter-Account von WikiLeaks bekannt, dass er im Falle der Freilassung von Chelsea Manning bereit sei, sich selbst ausliefern zu lassen und gegebenenfalls eine Haftstrafe in den USA anzutreten. Nach der Begnadigung Mannings durch Obama im Januar 2017 zog er dieses Angebot wieder zurück.

Im November 2016 fand die indirekte Befragung Assanges durch die schwedische Staatsanwaltschaft in der Botschaft statt. Diese führte zu weiteren Ermittlungsmaßnahmen, die nicht durchgeführt werden konnten, da Assange eine erforderliche formelle Zustellung der Vorwürfe in der Botschaft abgelehnt habe und auch keine Aussicht bestand, dass Assange vor einem schwedischen Gericht erscheinen könne. Das Verfahren wurde daher im Mai 2017 vorerst eingestellt; die Schuldfrage konnte nicht geklärt werden.

Im März 2017 begann WikiLeaks unter dem Codewort Vault 7 eine Reihe von Dokumenten zu veröffentlichen, die einen tiefen Einblick in die Aktivitäten der Central Intelligence Agency (CIA) erlauben. Zu den geleakten Informationen gehörten auch Hacking-Tools der CIA. Sie bezeichnete den Leak letztendlich als "den größten Datenverlust in der Geschichte der CIA". Die Wut der CIA und des von Präsident Donald Trump neu eingesetzten CIA-Direktors Mike Pompeo auf WikiLeaks veranlasste Pompeo, die Gruppe im Jahr 2017 als "nichtstaatlichen feindlichen Geheimdienst" zu bezeichnen. Pompeo wollte sich an WikiLeaks und Assange rächen. Pompeo und andere Spitzenbeamte der CIA entwickelten Pläne, Assange wegen seiner Rolle bei den Vault-7-Leaks zu ermorden. In einer Erklärung im September 2021 sagte Laura Poitras, die Berichte über Versuche, sie selbst, Glenn Greenwald und Assange als "Informationsvermittler" und nicht als Journalisten einzustufen, seien "erschütternd und eine Bedrohung für Journalisten weltweit". "Dass die CIA sich auch verschworen hat, um die Überstellung und außergerichtliche Ermordung von Julian Assange zu erreichen, ist ein staatlich gefördertes Verbrechen gegen die Presse", erklärte sie. Greenwald sagte: "Ich bin nicht im Geringsten überrascht, dass die CIA, eine seit langem autoritäre und antidemokratische Institution, einen Weg gefunden hat, den Journalismus zu kriminalisieren und Journalisten auszuspionieren und andere Angriffe auf sie zu ver&uunml;ben."

Im Januar 2018 gab die Regierung Ecuadors die Einbürgerung Assanges bekannt. Im März 2018 entzog Ecuador Assange den Internetzugang, weil er wiederholt gegen die Vereinbarung verstoßen habe, keine Nachrichten zu verbreiten, "die eine Einmischung in die Beziehungen zu anderen Staaten vermuten lassen". Anlass waren kritische Tweets Assanges. Medienberichten zufolge plante die Regierung von Ecuador mittlerweile, Assange das Asyl in der Botschaft zu entziehen und seinen Auszug einzuleiten. Der US-amerikanische Senat kontaktierte daraufhin Assange und sprach mit ihm über eine mögliche Zusammenarbeit im Zusammenhang mit den Untersuchungen bezüglich russischer Einflussnahmen auf die amerikanische Präsidentschaftswahl 2016.

Verhaftung im April 2019 und danach

Am 11. April 2019 wurde Assange innerhalb der Botschaft auf Aufforderung des ecuadorianischen Botschafters von der Londoner Polizei festgenommen, nachdem ihm der Präsident Ecuadors, Lenín Moreno, das Asylrecht entzogen hatte. Moreno hatte sich von der Politik seines Amtsvorgängers Correa distanziert und verfolgte außenpolitisch das Ziel, die Beziehungen zu den Staaten Nordamerikas und Europas wieder zu normalisieren. Ebenfalls warf er Assange vor, durch sein aggressives und respektloses Verhalten die Grundlagen des Asylrechts während seines Aufenthalts in der Botschaft so sehr verletzt zu haben, dass die Weitergewährung des Asyls untragbar geworden sei. Außenminister Valencia erklärte, ihm lägen Garantien der britischen Regierung vor, dass Assange nicht in ein Land ausgeliefert werde, in dem seine Menschenrechte verletzt würden. Scharfe Kritik an der Entscheidung kam von Ex-Präsident Correa und seinem ehemaligen Außenminister, die Moreno vorwarfen, Assange "geopfert" zu haben, um an zugesagte Kredite des Internationalen Währungsfonds zu gelangen. Das ecuadorianische Parlament hingegen begrüßte die Maßnahmen gegen Assange mit großer Mehrheit. Am Tag seiner Verhaftung wurde Assange die 2017 verliehene ecuadorianische Staatsbürgerschaft aberkannt. Dies wurde mit Unregelmäßigkeiten in den Papieren begründet.

Ein britisches Gericht begründete den Haftbefehl damit, Assange habe gegen Kautionsauflagen verstoßen, weil er zu einem früheren Gerichtstermin nicht erschienen war. Assanges Verteidiger, Baltasar Garzón, rief die ecuadorianische Regierung und den Präsidenten des Landes dazu auf, die "wahren Gründe" für die Auslieferung Assanges an die britische Polizei zu nennen. Es sei fehl am Platze, von irgendwelchen Verstößen gegen Protokollregeln zu sprechen. Die Asylinterpretation des Präsidenten Moreno sei "willkürlich und inkonsistent", erklärte er. Garzón hielt es auch für "sehr ernst", dass Assange die vor mehr als einem Jahr gewährte ecuadorianische Staatsbürgerschaft entzogen wurde: "Dies geschah ohne Rücksicht auf jegliche Verfahrensnorm, und wir werden es vor der ecuadorianischen Justiz konstatieren."

Eine Stunde nach Assanges Verhaftung verlangten die USA auf der Grundlage eines 2017 gestellten, aber bis dahin geheim gehaltenen Auslieferungsersuchens von Großbritannien die Überstellung Assanges. Sie warfen ihm gemeinschaftliche Verschwörung mit Chelsea Manning zum Eindringen in Rechnernetze der Regierung vor. Für diesen Vorwurf könnte Assange eine Höchststrafe von fünf Jahren Haft erwarten. Auch Schweden, das sein früheres Auslieferungsersuchen an Großbritannien 2017 wegen Aussichtslosigkeit zurückgezogen hatte, erwog in der neuen Situation eine neuerliche diplomatische Aktion.

Noch am Tag der Verhaftung wurde Assange einem Haftrichter vorgeführt und des Verstoßes gegen Kautionsauflagen schuldig gesprochen, da er sich durch seine Flucht in die ecuadorianische Botschaft der Justiz entzogen habe. Am 1. Mai 2019 wurde dann vom Southwark Crown Court in London eine Gefängnisstrafe von 50 Wochen verhängt. Damit wurde das Strafmaximum von 52 Wochen beinahe ausgeschöpft. Üblich sind in Großbritannien für den Verstoß gegen Kautionsauflagen Geldbußen oder Haftstrafen von wenigen Tagen. Andere mögliche Straftatbestände waren nicht Teil dieses Verfahrens. Eine Arbeitsgruppe des UN-Menschenrechtsrates, die sich bereits 2016 zum Botschaftsaufenthalt Assanges geäußert hatte, kritisierte die Verurteilung: Es sei eine unverhältnismäßige Strafe für ein unbedeutendes Vergehen; Assange solle freigelassen werden. Assange selbst kritisierte in einem Brief an den britischen Journalisten Gordon Dimmack die Haftbedingungen im Hochsicherheitsgefängnis HMP Belmarsh: Ihm seien nur zwei Besuche pro Monat erlaubt, seine Telefonkontakte seien stark eingeschränkt und er habe keinen Zugang zum Internet, zu einem Computer oder einer Bücherei — obwohl er dies brauche, um seine Verteidigung vorzubereiten. Die deutsche Botschaft in London bewertete diese Schilderungen als "durchaus denkbar". Wegen der harten Haftbedingungen wird das Gefängnis auch die "britische Version von Guantánamo Bay" genannt.

Im Mai 2019 nahm die schwedische Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen Assange wegen des Vorwurfes der Vergewaltigung wieder auf. Dies hatte zuvor die Anwältin der Frau beantragt, die den Vergewaltigungsvorwurf erhoben hatte. Daraufhin wurde ein europäischer Haftbefehl beantragt, der vom Bezirksgericht Uppsala jedoch nicht zugelassen wurde, da Assange bereits in Großbritannien inhaftiert sei und die Ermittlungen somit auch durch eine dortige Befragung zunächst weiterverfolgt werden könnten.

Am 23. Mai 2019 erweiterten die USA ihre Anklage wegen der WikiLeaks-Veröffentlichungen auf insgesamt siebzehn Anklagepunkte — nun auch nach dem umstrittenen Spionagegesetz von 1917, unter anderem wegen der mutmaßlichen Offenlegung und Gefährdung von Geheimdienstquellen. Insgesamt war durch diese erweiterte Anklage der USA ein theoretisches Strafmaß von maximal 175 Jahren Haft möglich. Bereits kurz nach ihrer Vereidigung hatte die neue Trump-Regierung 2017 ein deutlich härteres Vorgehen gegen Assange angekündigt, nachdem die Regierung Obama eine Anklage Assanges nach dem Spionagegesetz noch ausgeschlossen hatte.

Assange wurde aufgrund einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes in den medizinischen Trakt des Gefängnisses verlegt. WikiLeaks äußerte in einem Statement Sorge um ihn (er habe in den sieben Wochen Haft deutlich an Gewicht verloren). Assanges schwedischer Verteidiger Per Samuelson erklärte, er habe am 24. Mai deswegen keine normale Unterhaltung mit ihm führen können. Der Sonderberichterstatter des UN-Menschenrechtsrates zum Thema Folter, Nils Melzer, der Assange zusammen mit zwei medizinischen Experten im Hochsicherheitsgefängnis HMP Belmarsh besucht hatte, äußerte ebenfalls große Besorgnis und gab am 31. Mai 2019 eine Erklärung heraus, in der er ein sofortiges Ende der "kollektiven Verfolgung" von Assange forderte und den USA und ihren Verbündeten "psychologische Folter" (Weiße Folter) vorwarf. Er warnte zudem insbesondere vor einer Auslieferung in die USA. Am 11. Juni 2019 erhielten Assanges Vater, John Shipon, und der in Berlin lebende chinesische Künstler und Dissident Ai Weiwei die Möglichkeit, Assange im Hochsicherheitsgefängnis in London zu besuchen. Beide äußerten sich danach besorgt. Ai Weiwei forderte Großbritannien und Europa auf, der Auslieferung des WikiLeaks-Gründers nicht stattzugeben: "Europa ist bekannt als Ort, an dem Menschenrechte und Pressefreiheit respektiert werden. Was Julian getan hat, ist, im 21. Jahrhundert dunkle, unbeschreibliche Vorfälle öffentlich zu machen, die staatliche Strukturen hatten". Der Auslieferung nicht stattzugeben wäre auch nach einer entsprechenden Genehmigung durch britische Gerichte noch möglich, denn letztlich entscheidet der britische Innenminister darüber, ob tatsächlich ausgeliefert wird. Assanges Vater erklärte, seinem Sohn werde jede Möglichkeit vorenthalten, sich auf seine Anfechtungsklage gegen die Auslieferung vorzubereiten, und er wünschte sich, dass die australische Regierung ihrem Bürger diplomatische Hilfe leiste, da sein Sohn zum Opfer der britischen und schwedischen Strafverfolgungsbehörden gemacht worden sei.

Nachdem am 12. Juni 2019 ein offizielles Auslieferungsgesuch der USA für Assange vom britischen Innenminister formal angenommen worden war, wurde in einer gerichtlichen Anhörung zwei Tage später — bei der Assange per Videostream aus dem Gefängnis zugeschaltet war &mdas; entschieden, dass die Anhörung am 25. Februar 2020 beginnen solle. Da sich Assange wehrte, müssen über den Antrag der USA die verschiedenen britischen Gerichtsinstanzen bis hin zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entscheiden. Diesem sind sie auch nach dem Austritt aus der EU untergeordnet.

Im September 2019 wurde bekannt, dass Assange in der Botschaft ausspioniert wurde: Das mit der Sicherheit betraute spanische Sicherheitsunternehmen UC Global installierte dort heimlich Überwachungsgeräte und der US-Geheimdienst verschaffte sich Echtzeit-Zugriff darauf. Davon waren auch deutsche Medienmitarbeiter betroffen, wie Die Zeit zu berichten wusste: "Von der Überwachung seien neben Ärztinnen und Anwälten Assanges auch drei Mitarbeiter des NDR betroffen gewesen, teilte der Sender mit. Dies gehe aus Dokumenten und Videoaufnahmen hervor, die NDR und WDR vorliegen." Am 28. November 2019 erstattete der NDR Strafanzeige gegen UC Global.

Die am 1. Mai 2019 verhängte fünfzigwöchige Haftstrafe wegen Verstoßes gegen Kautionsauflagen hatte Assange "Ende September abgesessen, weil in England Strafen von unter einem Jahr nur zur Hälfte vollstreckt werden". Auch danach musste Assange wegen des anhängigen US-amerikanischen Auslieferungsersuchens in Haft bleiben. Im März 2020 wurde ein Antrag von Julian Assange auf Freilassung unter Kautionsauflagen wegen der Coronavirus-Pandemie vom zuständigen Gericht abgelehnt. Assanges Verteidigung hatte argumentiert, dass ihr Mandant durch seine angeschlagene Gesundheit im Gefängnis besonders gefährdet sei. Der Prozess über den Auslieferungsantrag der Vereinigten Staaten sollte am 18. Mai 2020 fortgesetzt werden.

Die Bedingungen, unter denen die Gerichtsverhandlungen stattfinden, wurden von Beobachtern teils stark kritisiert: So sei es durch die schlechte Akustik im Saal und die Sicherheitsglasscheiben, hinter denen Assange saß, für ihn sehr schwer, der Verhandlung zu folgen, worauf er auch immer wieder durch Handzeichen aufmerksam mache. Der Kontakt zur Verteidigung würde ebenfalls dadurch erschwert, dass durch die permanent anwesenden Sicherheitskräfte keine vertrauliche Kommunikation möglich sei und Assange während der Verhandlung keinen Blickkontakt mit seinen Verteidigern aufnehmen könne, da diese mit dem Rücken zu ihm säßen. Ein Antrag, dass Assange neben der Verteidigung sitzen könne, wurde durch die Richterin abgelehnt. Die Begleitung des Prozesses durch Pressevertreter war nur eingeschränkt möglich, da der Gerichtssaal des Woolwich Crown Court nur über eine Ersatzmikrofonanlage verfügt, so dass im angrenzenden Presseraum oft nur wenig, streckenweise gar nichts zu hören ist.

Im April 2020 wurde bekannt, dass Assange seit 2015 eine Beziehung mit seiner Anwältin Stella Moris-Smith Robertson führt. Das Paar hat zwei Söhne. Sie bat als Partnerin von Assange um seine Freilassung, weil sie sah, "dass sein Leben auf dem Spiel stehe [...] Sie sorge sich um die Gesundheit und das Leben des Wikileaks-Gründers". Im Juni 2021 erhielt Assange erstmals seit Monaten Besuch von seiner Familie. "Seit mehr als zwei Jahren sitzt Wikileaks-Gründer Julian Assange im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh. Nun wurde die Isolation kurz unterbrochen, der 49-Jährige konnte Frau und Kinder sehen. Die Situation sei "unerträglich und grotesk", so seine Verlobte. [...] "'Es kann so nicht weitergehen', sagte Moris-Smith Robertson. Assange quäle sich, die Haft treibe ihn in eine 'tiefe Depression und in Verzweiflung'." Im Juni 2021 gab Moris-Smith Robertson erneut bekannt, dass Assange und sie planen, im Gefängnis zu heiraten. Die Gefängnisseelsorge habe ihr berichtet, dass es die erste Hochzeit seit mindestens zwölf Jahren in der Vollzugsanstalt sein werde. Die Braut hofft, "dass die neue US-Regierung unter Joe Biden die Anklage gegen ihren Partner fallenlässt."

Die Trauung fand am 23. März 2022 im Londoner Hochsicherheitsgefängnis HMP Belmarsh statt. Das Brautkleid war von der Modeschöpferin Vivienne Westwood entworfen worden, jedoch wurde dem Paar kein offizielles Hochzeitsfoto gestattet. Im Jahr 2023 traf sich Assanges Frau und Anwältin mit Vertretern der deutschen Bundesregierung. Im Gefängnis ist Assange laut Stella Moris pro Tag 22 Stunden in einer etwa drei mal zwei Meter großen Einzelzelle untergebracht. Er hat kein Internet, darf eine begrenzte Anzahl an Büchern besitzen und eineinhalb Stunden pro Woche unter Beobachtung Besuch empfangen. Assange habe, bevor er in eine andere Einzelzelle verlegt wurde, mit Wassereimern auf dem Bett schlafen müssen, weil das Gefängnis so verfallen ist, dass in Assanges vorheriger Einzelzelle Wasser von der Decke tropfte.

Auslieferung in die USA abgelehnt

Aufgrund der umfangreichen und für die USA problematischen Veröffentlichungen geheimer Dokumente durch WikiLeaks ab Mitte März 2010 stand Julian Assange spätestens ab diesem Zeitpunkt im besonderen Fokus der US-Justiz. Es wurde unter anderem 2011 eine Grand Jury eingerichtet, die untersuchen sollte, ob Assange wegen der Übermittlung von Informationen, die nationale Sicherheit betreffend, nach dem Espionage Act von 1917 angeklagt werden könne; dieses Gesetz erlaubt u. a. auch die Todesstrafe.

Die Problematik besteht in der Formulierung des Gesetzes, dessen Intention gegen Spionage mit der Situation zu Beginn des 21. Jahrhunderts wenig zu tun hat. 1971 wurde mit Daniel Ellsberg "der Quelle der Pentagon-Papiere" der erste Whistleblower unter dem Gesetz angeklagt. Seitdem wurden besonders unter Präsident Barack Obama immer wieder statt Spionen auch Whistleblower unter dem Espionage Act angeklagt. Laut Kritikern steht dieser im Widerspruch zum ersten Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten, der die Presse- und Redefreiheit garantiert. Edward Snowden kritisierte, dass bei einer Anklage nach dem Espionage Act kein faires Verfahren möglich sei, weil die Geheimhaltung der Informationen die Jury daran hinderte, die Motivation des Angeklagten zu berücksichtigen.

Nach der Verhaftung von Chelsea Manning (früher: Bradley Manning) — der vorgeworfen wurde, das Video Collateral Murder und die Depeschen amerikanischer Botschaften an WikiLeaks weitergegeben zu haben — sollte zudem als Anklagepunkt auch der unautorisierte Zugang zu einem Rechnernetz und der Diebstahl von Regierungseigentum untersucht werden. Assange selbst berief sich auf den Freedom of Information Act; er habe das Material nur veröffentlicht, nicht selbst beschafft, und der Name Manning sei ihm erst aus den Medien bekannt geworden. Laut einer Anklageschrift von 2019 lagen den USA zu einem späteren Zeitpunkt die Chatprotokolle einer direkten Kommunikation zwischen Assange und Manning von Anfang März 2010 vor, also von kurz vor dem Beginn der Veröffentlichungen auf WikiLeaks.

Assange befürchtete seit seinem Aufenthalt in Großbritannien und dem internationalen Haftbefehl Schwedens 2010 eine Auslieferung von England oder Schweden aus in die USA. Die USA versuchten, Hilfe von Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Australien sowie anderen Verbündeten zu erhalten. Um dem vorzubeugen, gab Assange Ende 2010 bekannt, dass, sollte ihm etwas zustoßen, WikiLeaks auf 2000 Websites weltweit alle noch nicht veröffentlichten Dokumente auf einmal ins Netz stellen würde.

Laut den in den Global Intelligence Files veröffentlichten Aussagen eines ehemaligen Bundesagenten und damaligen Vizepräsidenten des amerikanischen Unternehmens Strategic Forecasting (Stratfor) bereitete die US-Regierung angeblich spätestens ab Januar 2011 eine "geheime Anklage" (sealed indictment) gegen Assange vor einer nicht öffentlich tagenden Grand Jury vor. Das Justizministerium der Vereinigten Staaten nahm dazu zunächst keine Stellung. In den USA kann eine Anklageschrift versiegelt werden, um sie geheim zu halten. Bis zum Sommer 2012 gelang es den Behörden der Vereinigten Staaten nicht, eine Anklage gegen Assange zu formulieren oder einen Auslieferungsantrag an Großbritannien zu stellen. Auch das schwedische Justizministerium erklärte im August, von keinem US-Auslieferungsantrag zu wissen. Die zuständige Direktorin im schwedischen Justizministerium betonte, dass gemäß der Grundrechte-Charta der EU eine Auslieferung in die USA nur dann möglich sei, wenn keine Gefahr für das Leben des Gefangenen bestehe.

Im November 2013 erklärte das US-Justizministerium unter Obama, dass Assange nicht wegen der Veröffentlichung geheimer Dokumente angeklagt werden könne, da man sonst gleichzeitig auch Journalisten und Medien wie The Guardian oder die New York Times anklagen müsse, die ebenfalls vielfach im Rahmen ihrer Arbeit geheime Dokumente veröffentlicht hatten. Angestellte oder Dienstleister des Staates wie Chelsea Manning oder Edward Snowden hingegen, die vertragswidrig geheime Informationen entwendet hatten, konnten nach dem Spionagegesetz angeklagt werden. Nach dieser Stellungnahme des Justizministeriums liefen die Untersuchungen der Grand Jury zu WikiLeaks weiter; Assange konnte noch für mögliche andere, kriminelle Aktivitäten angeklagt werden. Offiziell wurde erklärt, zu dem Zeitpunkt gäbe es keine geheime Anklage der Grand Jury.

Nach der Amtseinführung Donald Trumps zum neuen US-Präsidenten im Januar 2017 teilte der von ihm ernannte neue US-Justizminister Jeff Sessions im April 2017 mit, dass die Festnahme Assanges sowie die Bekämpfung der Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen unter der neuen Regierung Priorität bekommen habe. Es sollten Anklagen gegen Assange vorbereitet werden — auch wegen Verstoßes gegen das Spionagegesetz. Durch irrtümlich im August 2018 vor Gericht eingereichte Justizakten wurde bekannt, dass bereits an der Erstellung einer Anklageschrift gearbeitet wurde.

Im August 2017 unterbreitete der US-Republikaner Dana Rohrabacher in der Botschaft Ecuadors in London Assange, unter Beisein seiner Anwältin Jennifer Robinson, ein Begnadigungsangebot, obwohl es zu diesem Zeitpunkt offiziell noch keine Anklage gab. Assange lehnte es jedoch ab, die Quelle für die auf WikiLeaks veröffentlichten Clinton-Mails offenzulegen, aus der sich die US-Regierung einen Vorteil erhoffte. Rohrabacher bestritt das Treffen nicht, betonte jedoch, nicht im Auftrag der US-Regierung gehandelt zu haben.

Im April 2019 veröffentlichte das US-Justizministerium die bereits ein Jahr zuvor aufgesetzte und zunächst geheim gehaltene Anklage gegen Assange. Ihm wurde vorgeworfen, Chelsea Manning bei dem Versuch unterstützt zu haben, ein Passwort für ein Netzwerk mit geheimen Dokumenten des US-Verteidigungsministeriums zu knacken. Manning hatte bereits Zugang zu geheimen Informationen des Netzwerkes, und das Knacken des Passwortes hätte ihr geholfen, die Herkunft der geleakten Dokumente zu verschleiern. Des Weiteren wurde Assange vorgeworfen, Manning zu weiteren Leaks animiert zu haben. Die Anklage beruhte unter anderem auf Protokollen einer direkten Kommunikation zwischen Assange und Manning von Anfang 2010. Vermutlich stammten diese von der verschlüsselten Chat-Plattform Jabber. Insgesamt war für diese Anklagepunkte maximal ein Strafmaß von fünf Jahren möglich, das aber in der Regel nicht ausgeschöpft wird.

Im Mai 2019 ersetzten die USA ihre bisherige Anklage durch eine deutlich erweiterte, insgesamt siebzehn Punkte umfassende und ebenfalls auf den 2010 veröffentlichten US-Militärdokumenten — die Wikileaks von Chelsea Manning zugespielt worden waren — beruhende Anklage und berief sich nun zusätzlich auf den Espionage Act. In den neuen Anklagepunkten wurde Assange weiterhin angelastet, Manning zum Diebstahl der Dokumente angetrieben und sie dabei unterstützt zu haben. Außerdem wurde ihm nun vorgeworfen, Quellen der US-Geheimdienste im Nahen und Mittleren Osten sowie in China enttarnt und damit gefährdet zu haben. Insgesamt steht auf alle Anklagepunkte zusammen eine theoretische Maximalstrafe von 175 Jahren Haft.

Im Juni 2019 wurde bekannt, dass die USA ein offizielles Auslieferungsgesuch für Assange an Großbritannien gestellt hatten, das am 12. Juni 2019 vom britischen Innenminister formal angenommen wurde und über das die verschiedenen britischen Gerichtsinstanzen zu entscheiden hatten, letztinstanzlich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.

Bei einer Anhörung wurde vom Gericht entschieden, dass die erstinstanzlich auf fünf Tage angesetzte Verhandlung über das Auslieferungsgesuch der USA am 25. Februar 2020 beginnen solle. Im Juni 2020 erweiterte das US-Justizministerium die Anklage gegen Assange. Neue Anklagepunkte wurden dabei nicht hinzugefügt, weil die Frist für das Hinzufügen neuer Punkte abgelaufen war. Jedoch wurden die bestehenden Anklagepunkte um weitere Details zur mutmaßlichen Zusammenarbeit mit Anonymous nahestehenden Hackern und anderen erweitert.

Am 4. Januar 2021 lehnte der Westminster Magistrates' Court in London, die einem Amtsgericht vergleichbare erste Instanz im britischen Justizsystem, die Auslieferung ab. Begründet wurde dies mit den zu erwartenden Haftbedingungen und bestehender Suizidgefahr. Die USA haben Berufung eingelegt. Der Staatspräsident und Regierungschef Mexikos, Andrés Manuel LÓpez Obrador, bot Assange nach der Auslieferungsablehnung politisches Asyl an. Am 6. Januar 2021 wies derselbe Magistrates' Court Assanges Antrag auf Freilassung auf Kaution ab und begründete dies mit Fluchtgefahr. Das von der US-amerikanischen Seite angestrengte Berufungsverfahren begann am 27. Oktober 2021.

In einem Interview im Juni 2021 erklärte Sigurour Ingi Bordarson, ein ehemaliger Zuträger des FBI und ein wichtiger Zeuge gegen Assange in dem Verfahren in den USA, in wichtigen Punkten, auf die sich die Anklage gegen Assange stützt, gelogen und einen Meineid geleistet zu haben, um Immunität zu erhalten.

Aufhebung des Auslieferungsverbots

Am 10. Dezember 2021 wurde das Auslieferungsverbot von einem Berufungsgericht in London aufgehoben. Der Richter Timothy Holroyde begründete den Entscheid damit, dass die Vereinigten Staaten ausreichende Zusicherungen bezüglich der Haftbedingungen gemacht hätten. Nils Muiznieks, der Europadirektor von Amnesty International, nannte die Entscheidung eine "Travestie von Justiz". Am 24. Januar 2022 entschied der britische High Court of Justice, dass Assange vor dem Obersten Gerichtshof des Vereinigten Königreichs gegen seine Auslieferung an die USA Berufung einlegen darf. Die Berufung wurde jedoch am 14. März 2022 zurückgewiesen.

Auslieferungsbefehl der britischen Regierung an die USA

Am 10. Juni 2022 schrieben 300 Ärzte aus 35 Ländern einen offenen Brief an die britische Innenministerin Priti Patel und kritisierten die "grausame und unmenschliche Behandlung", die Assange widerfahre. Sie warnten, dass die Genehmigung der Auslieferung fahrlässig und inakzeptabel wäre. Der High Court habe Assanges Schlaganfall bisher ignoriert. Die Zusicherungen der USA, die der High Court akzeptiert hatte und auf deren Grundlage die Auslieferung beruhe, basierten auf veralteten medizinischen Informationen und seien damit obsolet. Die Ärzte wiesen auch die vom High Court akzeptierten Zusicherungen der USA zurück, dass die Haftbedingungen in den USA menschenwürdig seien. Vielmehr stellten sie fest, die USA hätten weiterhin die Möglichkeit, Herrn Assange besondere Verwaltungsmaßnahmen aufzuerlegen und ihn z. B. in das ADX Florence einzuweisen — eine Hochsicherheitsstrafanstalt mit den härtesten und brutalsten Haftbedingungen in den USA. Die Einrichtung verstoße gegen die Anti-Folter-Konvention, der Australien beigetreten ist. Die "Zusicherungen" der USA wären wertlos. Am 17. Juni 2022 unterzeichnete Innenministerin Patel den Auslieferungsbefehl an die Vereinigten Staaten; dort drohen ihm bis zu 175 Jahre Gefängnis. "Seine Frau kündigte an, dass er [...] Rechtsmittel einlegen wird." Assanges Verteidigung reichte Berufung gegen das Urteil ein, weshalb sich Assange momentan noch in Großbritannien befindet. Am 9. Juni 2023 lehnte der Gerichtshof die Berufung ab. Seine Familie kündigte an, dagegen mit einem Antrag vorzugehen und andernfalls als letztes Rechtsmittel vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen.

Die britische Entscheidung zu Assanges Auslieferung an die USA löste weltweites Entsetzen aus. Friedrich Roeingh (Chefredakteur der Mainzer Allgemeinen Zeitung und der Wormser Zeitung) erklärte, dass

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte Assanges Auslieferung zu stoppen und seine Freilassung zu verfügen. Agnes Callamard, Menschenrechtsexpertin und Generalsekretärin in der Londoner Zentrale von Amnesty International, erklärte die Entscheidung der britischen Regierung sende "eine abschreckende Botschaft" an alle Journalisten. Sie äußerte die Sorge, Assange könnte trotz gegenteiliger Versicherungen der US-Regierung für längere Zeit in Einzelhaft genommen werden. Der Deutsche Journalisten-Verband rief die USA auf, die Anklage fallen zu lassen. Wenn Präsident Joe Biden russische Kriegsverbrechen in der Ukraine anprangere, dürfe er nicht mit äußerster juristischer Härte gegen den Aufklärer amerikanischer Kriegsverbrechen vorgehen.

Wirken, Positionen und Kritik

Wikileaks und Assanges Arbeitsweise hatten einen großen Einfluss auf traditionelle Medienunternehmen: Diese übernahmen viele der Innovationen, die Assange für WikiLeaks entwickelte, dazu gehören das Installieren anonymer digitaler Dropboxen, das Veröffentlichen großer, überarbeiteter Datensätze, die Einstellung von Journalisten für Data Science und die Ermutigung von Reportern, ihre Internetsicherheit zu verbessern, um Quellen zu schützen. Assange hängt einer libertären Weltanschauung an. Im Jahr 2006 veröffentlichte er den Aufsatz Conspiracy as Governance, in dem er seine politischen Grundüberzeugungen darlegt. Darin bezeichnet er jede autoritäre Governance als "Verschwörung", die zum Schaden der Bevölkerung arbeite. Die "Verteidiger von Wahrheit, Liebe und Selbstverwirklichung" hätten diese Verschwörungen zu bekämpfen. In Zeiten vor der Alphabetisierung sei dieser Kampf mit Attentaten geführt worden, heute gehe es darum, die Kommunikationsverbindungen zwischen den einzelnen Verschwörern zu stören und sie von ihrem geheimen Informationszufluss aus der Außenwelt abzuschneiden. Der amerikanische Historiker Sean Wilentz deutet die Praxis von WikiLeaks, "geheime Informationen der Regierung zu stehlen" und an die Öffentlichkeit zu geben, als Verwirklichung der in diesem Text dargelegten politischen Grundüberzeugungen; allerdings seien sie falsch, teilweise sogar paranoid. So eine Aussage führt allerdings zum weit verbreiteten irrtümlichen Eindruck, dass WikiLeaks selbst Daten und Dokumente stiehlt. Die Plattform stiehlt diese nicht, sondern erhält sie von Informanten aus Institutionen oder Unternehmen, sogenannten Whistleblowern.

Im August 2013 bekannte Assange seine Bewunderung für Ron Paul und dessen Sohn Rand von der Tea-Party-Bewegung. Beide seien die stärksten Unterstützer im Kampf gegen die Angriffe der amerikanischen Regierung auf WikiLeaks gewesen und ständen zudem in entschiedener Opposition gegen den Drohnenkrieg und die Praxis ungesetzlicher gezielter Tötungen. Andererseits soll er dem Guardian-Reporter Nick Davies, der mit ihm an der Sichtung der US-Geheimdienst-Dokumente arbeitete, gesagt haben, dass ein afghanischer ziviler Informant der westlichen koalitionären Streitkräfte den Tod verdiene und man deshalb seine Identität bei den WikiLeaks-Veröffentlichungen nicht zu schützen brauche. Mit Bezug auf die amerikanischen Wahlen erklärte er, der libertäre Flügel der Republikanischen Partei sei derzeit "die einzige Hoffnung".

Im März 2013 gründete Assange mit anderen die libertaristische Partei The WikiLeaks Party. Im August verließen diese einige prominente Mitglieder wieder, darunter Parteivize Leslie Cannold und Wikileaks-Mitgründer Daniel Mathews, und warfen dem Vorsitzenden Assange vor, sich über Beschlüsse des Parteirats hinwegzusetzen. Entgegen dessen Entscheidung, die bei den im australischen Präferenzwahlsystem wichtigen Wahlempfehlungen für die Grünen abzugeben und nicht für Kreationisten, Waffenpartei oder christliche Rechte, gab Assange im Namen seiner Partei Empfehlungen für rechtsgerichtete Parteien ab, unter ihnen die Australia First Party. Bei den Wahlen im September 2013 erhielt die WikiLeaks Party dann 0,62 Prozent und wurde 2015 von der Wahlkommission aus dem Parteienregister gestrichen.

Julian Assange gehört zu den prominentesten und schärfsten Kritikern der Big-Tech-Unternehmen, denen er totalitäre und kulturhegemoniale Tendenzen vorwirft. In einem SPIEGEL-Interview von 2015 monierte er: "Google, Facebook und andere Unternehmen aus dem Silicon Valley — etablieren neue gesellschaftliche Regeln, welche Aktivitäten erlaubt sind und welche Informationen übertragen werden. [...] Diese Firmen entscheiden in Fragen, die ursprünglich in der öffentlichen Debatte und von Parlamenten entschieden wurden. Wenn etwas zu kontrovers wird, dann verbannen es diese Firmen aus ihrem Angebot. Sie k¨nnen Inhalte teilweise oder völlig sperren. Der Langzeiteffekt ist die Tendenz zum Konformismus. Eine amerikanische Denkweise wird gefördert und im Rest der Welt verbreitet. Das ist buchstäblich digitaler Kolonialismus".

Während des Präsidentschaftswahlkampfs 2016 in den USA veröffentlichte Wikileaks mehrere tausend E-Mails, die vom Server der Demokratischen Partei entwendet worden waren. Der US-Sonderermittler Robert Mueller erhob in seiner Anklageschrift den Vorwurf, dass es eine Korrespondenz zwischen WikiLeaks und dem Hacker "Guccifer 2.0" gegeben habe, mit dem Ziel, die Wahlen zum Schaden von Clinton zu beeinflussen. Die Enthüllungsplattform habe das Material von einer direkt vom russischen Militärgeheimdienst GRU kontrollierten Person erhalten. Im selben Zeitraum wurde auch bekannt, dass es gezielte Absprachen und Kontakte zwischen WikiLeaks und Donald Trump Jr. — Sohn von Präsidentschaftskandidat Donald Trump — bezüglich des Vorgehens im Wahlkampf gab. Des Weiteren wird Assange vorgeworfen, ähnliches Material von einem Hack gegen die Republikaner — Donald Trumps eigener Partei " absichtlich zurückgehalten zu haben. Assange dementierte, im Besitz derartigen Materials zu sein. Eine Zivilklage des Demokratischen Nationalkomitees (DNC) gegen Russland, die Trumps Wahlkampforganisation und auch WikiLeaks sowie Assange wurde am 30. Juli 2019 abgewiesen. Russland als vermeintlicher Hauptakteur kann in den USA nicht zivil verklagt werden — und die Aktionen von WikiLeaks sowie Assange sind zivilrechtlich durch den 1. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten geschützt.

Assange ist Mitglied des Beratenden Ausschusses der Bewegung DiEM25.

Stellungnahmen zu Assanges Situation (ab Februar 2016)

Die dem UN-Menschenrechtsrat unterstehende Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierungen veröffentlichte im Februar 2016 eine Stellungnahme zu Assanges Situation, da dieser sich zu der Zeit unter diplomatischem Schutz in der ecuadorianischen Botschaft in London aufhielt, um einer beschlossenen Auslieferung von Großbritannien nach Schweden zu entgehen. In der Stellungnahme wurde die "Festsetzung" Assanges in der Botschaft als illegal und menschenrechtswidrig bezeichnet. Die Regierungen Schwedens und Großbritanniens wurden darin aufgefordert, dafür zu sorgen, dass Assange sich wieder frei bewegen könne; außerdem stünde ihm ein Anspruch auf Entschädigung zu. Der Bericht wurde von der fünfköpfigen Expertengruppe mit drei gegen zwei Stimmen knapp angenommen. Beide beschuldigten Länder wiesen die Aussagen des rechtlich nicht bindenden Gutachtens zurück. Der ehemalige britische Außenminister Hammond sagte, die Arbeitsgruppe bestehe aus Laien, nicht aus Juristen, und ihre Schlussfolgerung weise rechtliche Mängel auf; Assange sei ein Flüchtling vor der Justiz. Die schwedische Regierung erklärte, Assange halte sich freiwillig in der Botschaft auf und könne sie jederzeit verlassen. Assange selber sprach hingegen nach dem Urteil von einem "wirklich wichtigen Sieg" und forderte Großbritannien und Schweden auf, dem Urteil nachzukommen.

Die von den USA 2019 veröffentlichte Anklage gegen Assange auf Grundlage des Spionagegesetzes wurde auch von verschiedenen Journalistenverbänden im April und Juni 2019 kritisiert: Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) forderte die britischen Behörden auf, Assange "unverzüglich auf freien Fuß zu setzen". Er erklärte: "Dem Wikileaks-Gründer wird etwas vorgeworfen, was nicht als strafbare Handlung geahndet werden darf: Beihilfe zum Landesverrat durch Veröffentlichungen". Die Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju), Tina Groll, warnte vor "einem massiven Eingriff in die verfassungsmäßig garantierte Pressefreiheit", sollte Assange an die USA ausgeliefert werden. Laut dem Schriftstellerverband P.E.N. wäre seine Auslieferung "ein schwerer Schlag gegen die Freiheit des Wortes, die Pressefreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung."

Der vom UN-Menschenrechtsrat ernannte Sonderberichterstatter für Folter, der Schweizer Nils Melzer, hatte Assange am 9. Mai 2019 im britischen Hochsicherheitsgefängnis HM Prison Belmarsh mit zwei medizinischen Experten besucht und kritisierte daraufhin die Situation von Assange: Er verurteilte den "vorsätzlichen und abgestimmten Missbrauch", der Assange seit Jahren auferlegt würde. Zudem betonte er: "Meine dringlichste Sorge ist, dass Herr Assange in den Vereinigten Staaten einem echten Risiko schwerer Verletzungen seiner Menschenrechte ausgesetzt wäre, einschließlich seiner Meinungsfreiheit, seines Rechts auf ein faires Verfahren und des Verbots von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe". "Im Laufe der letzten neun Jahre war Herr Assange hartnäckigem, fortschreitendem Missbrauch ausgesetzt, der von systematischer gerichtlicher Verfolgung und willkürlicher Inhaftierung in der ecuadorianischen Botschaft über seine repressive Isolation, Belästigung und Überwachung innerhalb der Botschaft bis hin zu vorsätzlicher kollektiver Verhöhnung, Beleidigung und Demütigung, offener Anstiftung zur Gewalt und sogar wiederholten Aufrufen zu seiner Ermordung reichte." In offiziellen Schreiben, die Ende Mai 2019 an die Regierungen von Ecuador, der USA, Großbritannien und Schweden verschickt wurden, forderte Melzer die vier beteiligten Regierungen auf, von der weiteren Verbreitung, Anstiftung oder Duldung von Erklärungen oder anderen Aktivitäten abzusehen, die die Menschenrechte und die Würde von Assange beeinträchtigen, und Maßnahmen zu ergreifen, um ihm angemessene Rechtsbehelfe und Rehabilitation für frühere Schäden zu bieten. Melzer appellierte ferner an die britische Regierung, Assange nicht an die USA oder einen anderen Staat auszuliefern, der keine zuverlässigen Garantien gegen seine Weiterleitung in die USA bietet. Er erinnerte auch Großbritannien an seine Verpflichtung, Assanges ungehinderten Zugang zu Rechtsbeistand, Dokumentation und angemessener Vorbereitung entsprechend der Komplexität des anhängigen Verfahrens sicherzustellen. "In 20 Jahren Arbeit mit Opfern von Krieg, Gewalt und politischer Verfolgung habe ich noch nie erlebt, dass sich eine Gruppe demokratischer Staaten zusammengeschlossen hat, um ein einzelnes Individuum so lange Zeit und unter so wenig Berücksichtigung der Menschenwürde und der Rechtsstaatlichkeit bewusst zu isolieren, zu dämonisieren und zu missbrauchen", sagte Melzer. "Die kollektive Verfolgung von Julian Assange muss hier und jetzt enden!" Im November 2019 stellte Melzer in einer öffentlichen Anhörung in den Räumlichkeiten des deutschen Bundestags fest, dass sich auch die deutsche Bundesregierung überhaupt nicht für den Fall engagiere. Im Gegenteil, trotz mehrfacher Anfragen des UN-Beauftragten um offizielle Stellungnahmen blieben diese aus. Er wurde erst am Vorabend seines Auftrittes im Bundestagsgebäude zu einer Besprechung ins Auswärtige Amt eingeladen. Darin wurde ihm beschieden, "man habe meine Berichte zum Fall Assange nach wie vor nicht gelesen und habe auch keine Zeit dazu". Ende Januar 2020 verabschiedete die Parlamentarische Versammlung des Europarates einstimmig eine Resolution, die die "sofortige Freilassung" von Julian Assange sowie die Verhinderung einer Auslieferung an die USA forderte. Der Resolution war eine Anhörung vorausgegangen, in der John Shipton, der Vater von Julian Assange, Nils Melzer, der UN-Sonderberichterstatter über Folter, Anthony Bellanger, Generalsekretärs des Dachverbandes nationaler gewerkschaftlicher Journalistenverbände Internationalen Journalisten-Föderation, und Regis Brilliard, Exekutivsekretär des Anti-Folter-Komitees des Europarates, über die zweifelhafte juristische Verfolgung und Folter von Assange berichteten. Ende Januar 2020 kam es zu den schweren Vorwürfen des UN-Sonderberichterstatters Nils Melzer gegen die schwedischen, britischen und US-Behörden (veröffentlicht in dem Online-Magazin Republik).

Anfang Februar 2020 stellten der Investigativjournalist Günter Wallraff, die ehemaligen Bundesminister Sigmar Gabriel und Gerhart Baum sowie die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen in der Bundespressekonferenz in Berlin den Appell Julian Assange aus der Haft entlassen (Wallraff-Appell, weil von ihm initiiert) vor. Auch der Publizist Navid Kermani und die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin sind Teil der Initiative. Dem vorangegangen war ein breiter, von 130 Persönlichkeiten aus der deutschen Politik, Wissenschaft und Kultur unterzeichneter Appell, darunter zehn ehemalige Minister, an Großbritannien: "Wir unterstützen die Forderung des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen zum Thema Folter, Nils Melzer, nach einer umgehenden Freilassung von Julian Assange, aus medizinischen sowie aus rechtsstaatlichen Gründen" — der ganzseitig in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienen war. Der Forderung schlossen sich auch vier Verbände, der Deutsche Journalisten-Verband, die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union in Verdi, Reporter ohne Grenzen und das gemeinnützige Whistleblower-Netzwerk an. Gabriel erklärte, die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens sei — offenbar aus politischen Gründen — nicht gewährleistet. Wallraff ergänzte, es gehe nicht nur um Assange selbst, sondern um die Verteidigung der Meinungs- und Pressefreiheit. Wenn Journalisten und Whistleblower befürchten müssten, die Aufdeckung staatlicher Verbrechen mit "Einkerkerung" oder ihrem Leben zu bezahlen, sei die "Vierte Gewalt" und damit die Demokratie in Gefahr. Der Wallraff-Appell kann von jedem Menschen unterzeichnet werden. Über 45.000 (Stand: 18. Juni 2021) haben das bereits getan.

In einem von Wallraff initiierten Brief wird an Bundeskanzlerin Merkel appelliert, bei ihrem am 15. Juli 2021 anstehenden Besuch bei US-Präsident Joe Biden darum zu bitten, das von seinem Amtsvorgänger Donald Trump betriebene Verfahren gegen Assange zu beenden und die Klage fallen zu lassen. Im April 2022 forderte die niederländische Parlamentsabgeordnete Marieke Koekkoek die niederländische Regierung dazu auf, sich gegenüber der britischen Regierung gegen eine Auslieferung in die USA einzusetzen und dazu auch für europäische Unterstützung zu werben.

Im Januar 2023 trat in Washington D. C. das "Belmarsh Tribunal" zusammen, bei dem führende Persönlichkeiten aus Politik, Recht und Wirtschaft, darunter Noam Chomsky, Ken Loach und Daniel Ellsberg, die US-Regierung aufforderten, die Anklage gegen Julian Assange fallenzulassen.

Um ihre Solidarität zu zeigen, erklärten im April 2023 die europäischen Journalistengewerkschaften und -verbände Julian Assange zum Ehrenmitglied ihrer Organisationen. Die Europäische Journalisten-Föderation (EJF) und ihre Mitgliedsorganisationen appellierten erneut an die britischen Behörden, Julian Assange freizulassen. Sie schlossen sich der Internationale Journalisten-Föderation (IFJ) an und forderten die US-Regierung auf, alle Anklagen gegen Julian Assange fallen zu lassen und ihm die Rückkehr zu seiner Frau und seinen Kindern zu ermöglichen.

LINKE: Bundesregierung soll Assanges Auslieferung verhindern

Die Partei DIE LINKE forderte am 18. Februar 2024 die Bundesregierung auf, sich zur Freilassung von Assange zu bekennen:

"Julian Assange darf nicht in die USA ausgeliefert werden. Die Bundesregierung muss auf internationaler Ebene entsprechend Druck machen. Wer wertebasierte Außenpolitik verspricht, darf nicht tatenlos zuschauen, wie ein Whistleblower und Enthüllungsjournalist für seine Arbeit mit Folterhaft bestraft wird. Die Ampelparteien müssen nun endlich den Mut aufbringen und sich Australien anschließen, die sich bereits klar gegen eine Auslieferung positioniert haben. Assange hat schlimmste Kriegsverbrechen aufgedeckt, etwa wie US-Soldaten kaltblütig irakischen Zivilisten töten. Während die Mörder in Freiheit blieben, droht dem Whistleblower nun lebenslange Haft unter Bedingungen, die als Folter zu betrachten sind.

Die Anklagen gegen Assange haben vor allem einen Zweck: Sie sollen Nachahmer und investigative Journalisten abschrecken. An Assange soll ein Exempel statuiert werden, wie etwa an dem Whistleblower Joshua Schulte, der vor wenigen Tagen zu 40 Jahren Haft verurteilt wurde, weil er geheime Dokumente der CIA an Wikileaks weitergegeben hatte. Die Leaks zeigten, dass die CIA Hacking-Tools nutzt, um in fremde Computer einzudringen und dort kompromittierendes Material zu hinterlassen. Die sogenannten Vault-7-Enthüllungen belegten auch, dass die CIA heimlich die Kameras in smarten Fernsehgeräten aktiveren und so in jedes Wohnzimmer schauen kann. Somit ist niemand mehr sicher vor den Schnüffeleien dieses Orwellschen Überwachungsapparats. Ohne Schulte hätte die Öffentlichkeit davon nichts erfahren.

Am Beispiel Schultes zeigt sich, was Assange droht. Der Ex-CIA-Angestellte wurde jahrelang in Isolationshaft gehalten, in einer kahlen, fensterlosen Zelle, in der 24-Stunden grelles Licht schien. Er durfte weder lesen noch Musik hören oder Fernsehen schauen. Das ist keine Haft, das ist schlimmste psychische Folter, die demnächst auch Assange droht. Deshalb müssen wir alles tun, um seine Auslieferung zu verhindern."

Dass Deutschland dem Wikileaks-Gründer noch kein Asyl gewährt hat, könnte nach Einschätzung des Juristen daran liegen, dass sich Assange in einem sogenannten "sicheren Drittstaat" befindet. Darunter fallen sämtliche Länder, die sich an die Genfer Flüchtlings- und die Europäische Menschenrechtskonvention halten.

Whistleblower Schutz

Das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz trat am 2. Juli 2023 in Kraft (§ 41 am 3. Juni 2023) und setzt die Richtlinie (EU) 2019/1937 (Hinweisgeberrichtlinie) in nationales Recht um. Es ist Art. 1 des Gesetzes für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden vom 31. Mai 2023.

Durch das Hinweisgeberschutzgesetz werden Hinweisgeber (Whistleblower) geschützt und einheitliche Standards zur Meldung von Missständen und zum Schutz der Meldenden vorgeschrieben. Externe Meldestellen bearbeiten auch anonym eingehende Meldungen.

Beschäftigte in Unternehmen und Behörden nehmen Missstände oftmals als erste wahr und können durch ihre Hinweise dafür sorgen, dass Rechtsverstöße aufgedeckt, untersucht, verfolgt und unterbunden werden. Hinweisgeber übernehmen Verantwortung für die Gesellschaft und verdienen daher Schutz vor Benachteiligungen, die ihnen wegen ihrer Meldung drohen und sie davon abschrecken können.

Quellen anzeigen https://de.wikipedia.org/wiki/Julian_Assange
https://www.die-linke.de/start/presse/detail/assange-bundesregierung-muss-mut-zeigen/
https://www.stern.de/politik/ausland/julian-assange--asyl-in-deutschland--das-sagen-die-ampel-parteien-31973402.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Hinweisgeberschutzgesetz