Die „Sicherungsverwahrung“ — auch „Sicherheitsverwahrung“, — ist im deutschen Strafrecht eine „freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung“, Sie dient dazu, Strafgefangene, die ihre Haftstrafe abgesessen haben, weiterhin wegzusperren. Gesetzlich geregelt ist sie im allgemeinen Teil in den § 66ff des Strafgesetzbuches (StGB). Seit vielen Jahren fordern kritische Juristen und Strafrechtler die Streichung aus dem Strafgesetzbuch. Man sperrt Menschen weg, die noch gar nichts getan haben bzw. ihre Strafe bereits abgesessen haben.
Eingeführt wurde die Sicherungsverwahrung 1933 unter Adolf Hitler. Zwischen 1933 und 1945 war die Sicherheitsverwahrung sehr beliebt und wurde über 15.000mal verhängt.
1998 wurde die Sicherungsverwahrung von der christlich-liberalen Kohl-Regierung verschärft. Danach war es möglich, die Sicherungsverwahrung nicht nur für zehn Jahre, sondern unbefristet (lebenslang) anzuordnen. Noch am 5. Februar 2004 hatte das Bundesverfassungsgericht dies als verfassungsgemäß erklärt. Das Bundesverfassungsgericht meinte, die Sicherungsverwahrung sei keine Strafe, sondern eine „Maßregel zur Besserung und Sicherung“. Im gleichen Jahr wurde die rückwirkende bzw. nachträgliche Sicherungsverwahrung eingeführt (seit 2008 auch für Jugendliche).
Am 31. März 2010 sind 524 Sicherungsverwahrte in deutschen Gefängnissen, ohne das sie gegen Gesetze verstoßen haben
Die Regelung der Sicherungsverwahrung im Strafgesetzbuch ist am 4. Mai 2011 in der damals geltenden Fassung vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde von mehreren Politikern krisitiert, auch Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU), die der Meinung ist, das Urteil „stärke das Freiheitsrecht des Täters“. Mit Wirkung zum 1. Juni 2013 wurde das Gesetz reformiert. Nach wie vor gilt: Während der Sicherungsverwahrung gibt es Briefzensur und auch keinen freien Zugang zu Computer oder Internet. Am 31. März 2010 wurden 524 Sicherungsverwahrte (darunter 3 Frauen) in deutschen Gefängnissen gezählt.
Sollte es dann einmal wirklich vorkommen, das ein ehemaliger Strafgefangener aus der Sicherungsverwahrung entlassen wird, so wird er von der Polizei rund um die Uhr überwacht. 2011 meinte der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof (VGH), das diese Reglung rechtens sei, denn sie diene „zur Abwehr von Gefahren für Leben, Gesundheit und Freiheit anderer bzw. zur Vorbeugung der Bekämpfung von Verbrechen angezeigt“. Die Observation sei auch verhältnismäßig, auch wenn sie „wegen ihrer stigmatisierenden Auswirkungen“ die Beziehung zu anderen Menschen sowie die Wohnungs- und Arbeitssuche erschwere. Im Januar zuvor hatte das Verwaltungsgericht Aachen die Überwachung eines Ex-Sicherungsverwahrten für rechtmäßig erklärt.
Im Jahr 2010 wurde Deutschland vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof verurteilt, mit diesen Methoden aufzuhören. Deutschland legte Widerspruch ein, welcher abgelehnt wurde.
2013 wurde ebenfalls vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg Deutschland zur Zahlung von Schmerzensgeld an ein Mann aus Hessen verurteilt. Die Begründung: Die Bedingungen unterschieden sich nicht wesentlich von einer normalen Haft. Das Gericht sprach ihm ein Schmerzensgeld von 3.000 Euro zu. Die Justiz hätte für den psychisch gestörten Sexualstraftäter in Sicherungsverwahrung „eine besser geeignete Unterbringung als das Gefängnis finden müssen“, hieß es in dem EGMR-Urteil.
Ein deutsches Gericht hatte den Mann 1997 in Hanau bei Frankfurt wegen sexueller Übergriffe auf Kinder zu vier Jahren Haft verurteilt. Seine Sicherungsverwahrung war über die damals zulässige Höchstdauer von zehn Jahren verlängert worden, weil er als stark rückfallgefährdet galt.
Bereits im Januar 2011 wurde Deutschland vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen Verletzung der Menschenrechte verurteilt. Die Straßburger Richter haben erneut die nachträgliche Sicherungsverwahrung als Verstoß gegen die europäische Menschenrechtskonvention gerügt.
Erstmals beanstandete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aber nicht nur die nachträgliche Verlängerung der Sicherungsverwahrung, sondern auch deren nachträgliche Anordnung. Nur wenn die Unterbringung bereits im Urteil ausgesprochen oder angedroht ist, könne sie verhängt werden. Die Beschwerden von vier Sexualstraftätern aus Zell in Bayern, Freiburg und Aachen hatten damit Erfolg.
Bis zu zwölf Jahre lang verbrachten in Baden-Württemberg vier Männer in Sicherungsverwahrung — obwohl sie die ursprünglich festgelegte Zeit schon abgesessen hatten. Dafür sollen sie eine Entschädigung erhalten, so der BGH. Zahlen muss das betroffene Bundesland.
Bundesländer müssen Straftäter, die wegen nachträglicher Sicherungsverwahrung rechtswidrig über Jahre eingesperrt waren, entschädigen. Der Anspruch folge aus der Europäischen Menschenrechtskonvention, urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe im September 2013. Grund waren die Klagen von vier Sexualstraftätern, deren Sicherungsverwahrung nachträglich über zehn Jahre hinaus verlängert worden war.
Die 1998 per Gesetz eingeführte Möglichkeit, Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen zu können, war vom Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) 2009 als menschenrechtswidrig verboten worden. Bis 1998 war die Sicherungsverwahrung auf maximal zehn Jahre begrenzt. Danach wurde diese Grenze per Gesetz aufgehoben und die Sicherungsverwahrung rückwirkend auch für all jene Täter verlängert, die nach Ablauf der Zehnjahresfrist als weiterhin gefährlich galten.
Die vier Kläger in den Ausgangsverfahren verbrachten deshalb über die ursprünglich angeordneten zehn Jahre hinaus weitere acht bis zwölf Jahre in der Verwahrung. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte deshalb das Land Baden-Württemberg zu Entschädigungszahlungen zwischen 49.000 und 73.000 Euro verurteilt. Der BGH bestätigte nun, dass das Land die Summe zu tragen hat.
Im Dezember 2012 entschied das Bundesverfassungsgericht, das die dauerhafte Überwachung von ehemaligen Sicherungsverwahrter ein Gesetz erfordere. Ansonsten nehme der Gesetzgeber in Kauf, dass solche Maßnahmen künftig für rechtswidrig erklärt würden, warnte der Bundesgerichtshof. Nur für eine Übergangszeit sei es in Ordnung, wenn sich die Polizei auf allgemeine gesetzliche Regelungen stütze. Außerdem müsse nach einiger Zeit neu begutachtet werden, ob von dem Entlassenen noch eine Gefahr ausgehe (Az. 1 BvR 22/12).
Zeitweise wurden in Freiburg 2011 sechs Sicherungsverwahrte rund um die Uhr überwacht. Zu Spitzenzeiten im Jahr 2010 waren für die Bewachung von Sicherungsverwahrten in Freiburg fast 150 Polizeibeamte rund um die Uhr im Einsatz. Die Polizei ließ sich von dem Urteil nicht beeindrucken: „Wir werden weiterhin für Ordnung und Sicherheit sorgen“, so Karl-Heinz Schmid, Pressesprecher der Polizei...
Die Richter gaben der Beschwerde eines ehemaligen Sicherungsverwahrten aus Freiburg statt. Das Verwaltungsgericht muss nun erneut über die Observation entscheiden. Der wegen zwei Vergewaltigungen verurteilte Mann wird seit seiner Entlassung aus der Sicherungsverwahrung im September 2010 ununterbrochen von der Polizei überwacht. Vor seinem Haus parkt ständig ein Polizeifahrzeug mit drei Beamten. Zwei weitere Beamte halten sich in der Küche seiner Unterkunft auf, wenn er in seinem Zimmer ist. Außerhalb seiner Wohnung wird er ständig begleitet; wenn er Kontakt zu Frauen aufnimmt, weisen die Polizisten sie auf den Grund der Observation hin.
Diese Maßnahmen stellten einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff dar, so die Verfassungsrichter. Dem Beschwerdeführer werde „durch die fast lückenlose Präsenz der ihn außerhalb seines Zimmers bewachenden Polizisten die Möglichkeit, ein selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Leben zu führen, weitgehend genommen“.
Weiterhin dürfe die Entscheidung über die Beobachtung nicht auf Dauer auf ein psychiatrisches Gutachten gestützt werden, das vor der Entlassung erstellt wurde. „Der Gutachter konnte allenfalls vermuten, wie der Beschwerdeführer sich nach Jahrzehnten der Haft und der Sicherungsverwahrung in Freiheit verhalten würde", so die Richter. „Etwaige neuere Entwicklungen in der Persönlichkeitsstruktur des Beschwerdeführers“ müssten berücksichtigt werden.
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