Von Yvonne Goldschmidt
Überall auf der Welt taucht Verpackungsmaterial aus Deutschland auf: Malaysia oder China. Wie kann das sein? Und ist die Mehrwegflasche umweltfreundlicher als die Glas-Einwegflasche? Diesen und weiteren Fragen gehen wir nach.
1950 startete das erste Kunststoff-Produkt auf dem Markt. Zu dieser Zeit wurden weltweit jährlich etwa 1,5 Millionen Tonnen Plastik produziert. Heute sind es 300 Millionen Tonnen. (Plastikmüll Statistik 2016)
Von 8,3 Mrd. Tonnen aus der Plastik Herstellung wurden nur 600 Mio. Tonnen tatsächlich recycelt, 800 verbrannt. (Plastikmüll Statistik 2017)
Mittlerweile gibt es mindestens 5 riesige Plastikmüll-Strudel (Inseln) in den Weltmeeren.
Im Jahr 2050 könnten dreimal soviel Plastik im Meer schwimmen als Fische.
In Deutschland entstehen rund 6 Millionen Tonnen Verpackungsmüll pro Jahr — das sind sechs Milliarden Kilogramm pro Jahr!
2017 wurden 39 Prozent der Verpackungen aus dem Gelben Sack recycelt. Ab 1. Januar 2019 sollen nach dem neuen Verpackungsgesetz 58 Prozent wiederverwendet werden.
In diese Quoten sind Müllexporte eingerechnet — vollkommen legal, auch wenn diese gesetzeswidrig deponiert werden. Auch die "thermische Verwertung", sprich der verbrannte Verpackungsmüll sind in diesen Zahlen eingerechnet.
Ein großes Problem sind sogenannte "Fehlwürfe", die bei der Gelben Tonne in Großstädten teilweise bis 50 Prozent betragen. Sie müssen aussortiert und verbrannt werden.
Frontal21 (ZDF) berichtete am 21.02.2019 von einer riesigen illegalen Mülldeponie in Malaysia, Tonnenweise Plastikmüll aus Deutschland: Und alle sind dabei: Aldi, Kaufland, Edeka, Haribo oder Ja.
Greenpeace Deutschland klärt auf: "Malaysia, Thailand, Indonesien sind inzwischen die Sortieranlagen für Europa oder die USA. Das heißt, den Dreck, den wir hier nicht gebrauchen können, geht nach Malaysia und wird sortiert. Das, was man noch verwenden kann, wird abgetrennt und gereinigt und wird dort wieder für neue Plastikprodukte genutzt. Das scheint sich zu lohnen, finanziell, sonst würde es nicht passieren. Aber der Rest, der dort aussortiert wird und nicht gebraucht werden kann, der bleibt teiliweise auf unkontrollierten Deponien liegen." Greenpeace entdeckte erst vor Monaten knapp 50 solcher illegalen Müllkippen.
Auf Anfrage bei Edeka, wie sich der Konzern erklären kann, das ihre Verpackung nach Malaysia kommt, teilt man mit: Der Lieferant des Produktes (hier Mini-Erdperlen Zwiebeln) sitzt in holländischen Grootebroek. Der habe Edeka versichert, kein Verpackungsmaterial abgegeben zu haben. Der Lieferant beziehe seine Netze von einem Unternehmen in Gravensande (Niederlande), das wiederum seine Netze im italienischen Cecena produzieren lässt. Der wiederum habe ein Recycling-Dienstleister in Barletta (ebenfalls Italien). Der will alle Verpackungen mit Markenlogo ordnungsgemäß zerkleinert haben. Keiner kann sich erklären, wie die Netze nach Malaysia kommen.
Sergio Tirro, Leiter der Umweltkriminalität Europol, ist das Problem bekannt: "Die illegale Abfallverschiebung betrifft mehrere Länder. Sie hat eine internationale Dimension. Hinter dem illegalen Abfalltransport (...) stecken verschiedene Gruppen der organisierten Kriminalität."
China hat in den vergangenen Jahren Plastik-Verpackungen ("Sekundär-Kunststoffe") aus Deutschland, Europa, Australien oder den USA aufgekauft. Alleine rund 2 Millionen Tonnen (!) kamen aus Deutschland. Doch sie sollten sortenrein und vorsortiert sein. Immer mehr schickte man nur noch den letzten Müll nach China, der hier nicht mehr recycelt werden konnte. Nun hat China gesagt, sie importieren keine Verpackungsmüll mehr!
"Für die Plastikabfälle müssen wir nun neue Wege finden, andere Abnehmer finden", sagt Norbert Völl, Sprecher GRUENER PUNKT. "Die Abnehmer sind sind im Prinzip auch da. Die Recycler freuen sich schon sehr über dieses Angebot. Weil sie einfach hochwertigen Kunststoffabfall in großer Auswahl zu einem günstigen Preis, da China als Konkurrenz (Abnehmer) weggefallen ist." Doch diese Meinung scheint die Branche nicht zu teilen.
Seit China angekündigt hat, den Plastikabfall nicht mehr abzunehmen, ist der Preis für Recyclingmaterial bereits um die Hälfte gefallen.
Am Beispiel Altpapier zeigt sich, dass Recycling auch in Deutschland funktionieren kann, wenn sie keine starke Lobby hat, die Recyclingquoten blockiert.
Bei der Herstellung von PET-Einweg Flaschen für insgesamt 1000 Liter Inhalt entstehen 139kg CO2. Im Vergleich dazu sind es bei PET-Mehrweg nur 69kg CO2.
Die alte gesetzliche Regelung sah eine Mehrwegquote von 70 Prozent vor. Doch daran hielt sich niemand: 2007 betrug sie 51,2 Prozent und 2016 gerade noch 42,8 Prozent.
Die Einwegflaschen werden bei der Rückgabe im Supermarkt direkt gepresst. Sie werden von Recyclingunternehmen abgeholt und weiterverkauft. Oft werden daraus Parkbänke oder auch Kleidung (aus Polyester).
Das Problem beim Recycling von PET-Einwegflaschen ist, dass beim waschen, schreddern und einschmelzen die Kunststoffmoleküle beschädigt werden, daher fast die Hälfte der zurückgenommenen PET-Flaschen nicht mehr zur Herstellung von neuen Flaschen geeignet ist.
Was bedeutet PET?
PET bedeutet Polyethylenterephthalat. Es ist ein Kunststoff, der zu den Polyesterarten gehört. Die Basis in der Herstellung ist meist Erdöl, neben Flaschen werden auch Folien und Textilfasern aus PET produziert. In Deutschland wird etwa die Hälfte der Flaschen-PET recycelt, der Rest wurde bisher immer exportiert, vor allem nach Asien. Pro Tonne Kunststoff lag der Preis zwischen 250 und 400 Euro. Weltweit sind jährlich etwa 13,5 Milliarden Kunststoffflaschen im Einsatz.
Konzerne wie Coca Cola halten nichts von Mehrweg. Die Einweg-Flaschen sind wesentlich profitabler. Das zeigt die Preisstruktur: Während bei einer Stichprobe im Discounter die 1,25L Flasche 99 Cent kostete, ist die Mehrwegflasche mit nur 1L deutlich teurer: hier im Test 1,19 Euro — 20 Prozent mehr.
Auch die Discounter wollen Mehrwegflaschen nicht, denn sie erfordern eine eigene Logistik samt Lagerung, was ein Mehraufwand bedeutet.
Der Naturschutzbund (NABU) rät am besten zu Mehrwegflaschen aus Glas oder Plastik. Wegen des geringen Transportgewichts haben Mehrwegfllaschen aus Plastik eine bessere Umweltbilanz als die aus Glas.
Der Vorteil bei Glas-Mehrwegflaschen sind die sogenannten Pool-Flaschen wie etwa bei Bierflaschen. Diese sind einheitlich und können von verschiedenen Abfüllern verwendet werden, was Transportwege erspart.
Nicht zu empfehlen sind Einwegflaschen aus Plastik oder Aluminiumdosen. Diese Verpackungen schaden der Umwelt, egal ob mit Pfand oder ohne.
Auch nicht empfehlenswert sind Einwegflaschen aus Glas! Das Einschmelzen von Glas erfordert einen sehr hohen Energieverbrauch, das bedeutet auch eine hohe CO2 Belastung.
Vorteilhaft wäre die Einführung von einheitlichen PET-Mehrwegflaschen als Pool-Flaschen, die von jedem Hersteller vor Ort verwendet werden können. Wir kennen das System von den "einheitlichen" Bierflaschen. Ein Verbot von Plastik-Einwegflaschen ist längst überfällig!. Doch die Bierhersteller müssten sich auf eine einheitliche Flasche einigen. Bereits heute gibt es dutzende verschiedene Flaschen, die hohe Kosten für Sortierung verursachen. Jeder Hersteller will seinen eigenen Bierkasten und Bierflasche haben... Warum nutzen nicht alle Hersteller von Bier, Milch usw. eine einheitliche Flasche?
Wie ökologisch Getränkekartons sind, darüber streiten sich Umweltschützer und Industrie schon lange. Verpackungshersteller haben ihre Geträkekartons deutlich besser dargestellt, als sie eigendlich sind. Deswegen mussten sie eine Unterlassungserklärung gegenüber der Umwelthilfe abgaben.
Das staatliche Umweltbundesamt (UBA) ist der Meinung, Getränkekartons falle in der Öko-Bilanz besonders gut aus, weil es zum größten Teil aus Papier, einen nachwachsenden Rohstoff besteht. Das UBA stufte die Geträkekartons z.B. von Milch als "ökologisch vorteilhaft" ein und befreite sie von der Einwegpfandplicht. Der Verbraucher kann sie über den Gelben Sack entsorgen.
Doch stimmt das wirklich? Der Grundgedanke war das Recycling, also die Wiederverwertung von Papier, der Kunststoffbeschichtung und des Aluminiums. Doch dieses Material kann in der Recyclingsanlage gar nicht getrennt werden. Die Kartons wandern also in die Verbrennung oder dient bei der Zementherstellung als "Zuschlagstoff".
Das Problem beim Recycling sind die Material-Verbünde, aus denen die Verpackungen bestehen: Folien aus dem Kunststoff Polyethylen (PE), die schier untrennbar mit der Schicht aus Aluminium und Papier verklebt sind.
Marktführer Tetra Pak warb damit, dass seine Verpackungen "vollständig recycelt" werden. Eine falsche Behauptung, gegen die die Umwelthilfe (DUH) vor drei Jahren erfolgreich geklagt hat. Seither darf Tetra Pak nur noch behaupten, dass ihre Kartone zu "100 Prozent recycelbar" sind.
Der Herstellerverband FKN ("Fachverband Kartonverpackungen für flüssige Nahrungsmittel e.V. (FKN)") warb jahrelang damit, dass der Alu-Anteil in einr Recycling-Anlage in Merseburg (Sachsen-Anhalt) "in großvolumigen Maßstab sortenrein" zurückgewonnen wird. Auch diese Behauptung ist falsch. Gegenüber der Umwelthilfe (DUH) musste sie eine Unterlassungserklärung abgeben, solche falsche Behauptungen zu unterlassen.
Ein FKN-Sprecher räumte gegenüber der Wirtschaftswoche ein, dass es sich in Merseburg nur um einen Versuch handele, der nie über den Status hinauskam. "Die PE-Alu-Verbände wurden trotzdem verwertet", behauptet der Verband. Doch das kann auch "thermisch verwertet" bedeutet, also verbrannt.
Mittlerweile bestehen die Kartons auch aus immer mehr PE-Folien. Von einem Karton oder gar "einer Verpackung, die nachwächst", wie der FKN Herstellerband behauptet, kann keine Rede sein.
Verbände fordern: Unternehmen sollen die EU Plastiksteuer statt Verbraucher
1. August 2021 — Alleine 2021 zahlte die Bundesregierung rund 1,3 Milliarden Euro Steuergelder an die EU anstatt die Unternehmer und Verursacher von unökologischer, nicht recyclingfähiger Verpackung in die Pflicht zu nehmen. Die Plastiksteuer der EU war so viorgesehen. Doch die EU überlässt es den Mitgliedsstaaten die Plastiksteuer weiterzugeben. Seit dem 1. Januar 2021 müssen alle EU-Mitgliedsstaaten eine Abgabe von 80 Cent pro Kilogramm nicht recycelbarer Plastikverpackungen an die EU abführen. Umweltschützer fordern die Regierung in einem offenen Brief auf, die Verursacher zur Kasse zu bitten statt den Steuerzahler. Nur die Verursacher haben es in der Hand, den Müll zu reduzieren.
Am 2. März 2023 beschlossen die herrschenden Clans SPD, GRUENE und FDP im Bundestag gegen die Stimmen der CDU/CSU, AfD und LINKE eine Sonderabgabe auf Einwegplastik wie etwa Plastikbecher, Essensverpackungen und Zigaretten. Sie soll in die Kassen der Gemeinden fließ,en und hunderte Millionen Euro jedes Jahr betragen. Vorgesehen sei ein staatlicher Font mit 400 Millionen Euro pro Jahr. Im Vergleich: Deutschland zahlte aus Steuergeldern 2021 an EU Plastiksteuer rund 1,3 Milliarden Euro!
Die Plastik-Industrie hat eine enorm starke Lobby. Ein Umdenken ist dringend erforderlich. Mehrwegverpackungen wie bei Getränken sind auch im Bereich Nudeln oder im Wurst- oder K&aumL;seregal notwendig. Einheitliche Mehrweg-Verpackung, die gereinigt und von jedem Hersteller verwendet werden kann. Nur ein Papier-Aufkleber oben drauf und fertig.
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