Der SPD-Politiker Andy Grote ist seit dem 20. Januar 2016 Innen- und Sportsenator Hamburgs. Bereits unter Bürgermeister Scholz (Senat Scholz II) und anschließend unter Bürgermeister Senat Tschentscher I und II. Zum ersten Mal geriet Grote öffentlich in die Kritik wegen der Corona-Party-Affäre, weil er sich nicht an die Corona Beschränkungen hielt und trotzdem Partys gab. Damals wurde ein Bußgeld von 1.000 Euro verhängt. 2022 erschien Grote wieder im Mittelpunkt der Kritik: Grote flog 2022 sogar öfters mit dem Flugzeug als sein Chef Bürgermeister Tschentscher und das trotz der Anweisung, Dienstflüge und europäische Kurzstreckenflüge auf das absolut notwenigste Maß zu beschränken. Doch den Vogel schoß Grote mit seiner Selbstjustiz gegen seine Kritiker ab.
Auf der Online-Plattform Twitter hatte Grote am 30. Mai 2021 feiernden Massen im Schanzenviertel, die gegen Corona-Abstandsregeln verstoßen hatten, "Ignoranz" und eine "dämliche Aktion" vorgeworfen hatte. Daraufhin kommentierten dies viele mit Verweis auf Grotes Doppelmoral. Ein anderer Nutzer kommentierte mit dem Tweet "Du bist so 1 Pimmel".
Aufgrund eines eingereichten Strafantrags wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung aufgenommen. Dies wiederum führte dazu, dass die Polizei Hamburg beim mutmaßlichen Urheber des Tweets im Stadtteil St. Pauli am 8. September 2021 eine Hausdurchsuchung durchführte. Das Foto der Durchsuchungsanordnung wurde von dem Betroffenen auf Twitter veröffentlicht. In der Öffentlichkeit wurde die Verhältnismäßigkeit dieser polizeilichen Maßnahmen auch wegen Grotes eigener Verstöße gegen Coronaregeln und seiner Weigerung, sie trotz Bußgeldbescheids öffentlich einzugestehen, in Frage gestellt, zumal der Beschuldigte bei einer polizeilichen Vorladung bereits eingeräumt hatte, das betreffende Twitter-Konto zu betreiben, und ihm nach eigener Aussage eine Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit in Aussicht gestellt worden sei. Der gesamte Vorfall wurde als "Pimmelgate" bekannt. Das Medien-Echo war auffällig groß, auch die New York Times und die Washington Post berichteten über die Polizeigewalt.
Horst Niens, Hamburgs Chef der Gewerkschaft der Polizei, kritisierte das Vorgehen der Justiz einen Tag nach der Hausdurchsuchung: "Ich habe das Gefühl, hier wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen." Die Entscheidung des Gerichts sei "erstaunlich".
Der Hamburger Strafverteidiger Gerhard Strate: "Das ist jenseits jeder Verhältnismäßigkeit." Es sei "schlimm", dass ein Ermittlungsrichter "einen solchen Durchsuchungsbeschluss erlässt".
Nach der Hausdurchsuchung teilte die Polizei mit, das ein solches Vorgehen nicht unüblich sei. In einer "mittleren zweistelligen Zahl" von vergleichbaren Fällen habe es in diesem Jahr bereits Razzien gegeben. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft räumt ein, es handele sich um Schätzungen von Polizeibeamten.
Auf eine Anfrage des Linkenabgeordnete Deniz Celik teilt die Polizei später mit: Eine Auswertung habe ergeben, dass wegen vergleichbarer Beleidigungsfälle in diesem Jahr erst sieben Durchsuchungen stattgefunden hätten. Celik vermutete ein Täuschungsmanöver. Das Verfahren sei offenbar "nicht frei von politischen Interessen". Eine Sprecherin der Polizei erklärt später, die "mittlere Zahl" beziehe sich auf Hasskriminalität insgesamt. Es habe sich um "unterschiedliche Fragestellungen" gehandelt, auf die es unterschiedliche Antworten gebe.
Der rot-grüne Hamburger Senat stellt sich in seiner Sitzung am 14. September hinter Grote. Dort sei "sehr intensiv über das Thema Hatespeech" diskutiert worden. Niemand müsse es hinnehmen, öffentlich beleidigt zu werden. Allerdings meint der Sprecher die Beleidigung des Politikers durch den Bürger und nicht die Beleidigung des Bürgers durch den Innensenator Grote! "Hatespeech bekämpft man nicht, indem man wegschaut. Und deshalb ermutigt der Senat alle Bürgerinnen und Bürger, die sich insbesondere in den sozialen Netzwerken beleidigt sehen, Anzeige zu erstatten. Und das werden auch weiterhin die Mitglieder des Senats tun.".
In der Folge entwickelten sich Anspielungen auf den Tweet zu einem viralen Trend im Netz (Streisand-Effekt: Beim Versuch eine unliebsame Information zu unterdrücken, erreicht man genau das Gegenteil und erzeugt öffentliche Aufmerksamkeit) sowie auf zahlreichen Aufklebern und Graffiti in Hamburg, die von der Polizei mehrfach entfernt bzw. übermalt wurden. Kritisiert wurde der Einsatz zahlreicher Polizeikräfte für diese Maßnahmen.
Die Hamburger CDU warf Grote unsouveränen Umgang mit der Angelegenheit vor und forderte ihn zum Rücktritt als Innensenator auf, um weiteren Schaden von der Polizei und dem Amt abzuwenden.
Im März 2022 wurde das Ermittlungsverfahren wegen fehlenden öffentlichen Interesses an einer Strafverfolgung eingestellt.
Im August 2022 entschied das Landgericht Hamburg, dass die Hausdurchsuchung rechtswidrig und unangemessen war. Allerdings gab es weder eine Entschädigungszahlung seitens des Staatsapparates noch eine Entschuldigung von Andy Grote selbst. Grote ist noch immer im Amt (Update: Januar 2023).
Was Grote in Hamburg kann, kann die AfD in Augsburg (Bayern) auch. Auf Facebook hatte ein Klimaaktivist einen AfD-Politiker indirekt als Pimmel bezeichnet. Daraufhin durchsuchte die Polizei die Wohnung des Aktivisten und beschlagnahmte seine technische Geräte. Die Anwätin kritisierte das Vorgehen der Polizei als unverhältnismäßig. Auch von der Klimabewegung Augsburg kam heftige Kritik. Fast wie bei der Pimmelgate-Affäre in Hamburg.
Hintergrund in Augsburg war ein Kommentar des Klimaaktivist Alexander Mai, der im Oktober ein Foto des Pimmelgate-Skandals auf Facebook verlinkt hatte — unter einem Post des AfD-Politikers Andreas Jurca, dem Fraktionsvorsitzenden der Partei im Stadtrat Augsburg. Jurca fühlte sich beleidigt und erstattete Anzeige.
Den Facebook-Post des AfD-Politikers bezeichnen die Aktivist:innen auf der Website als "fremden- und frauenfeindlich".
Die Polizeihauptkommissarin Christina Meissl des zuständigen Polizeipräsidiums rechtfertigt die Razzia auf Anfrage von netzpolitik.org. Die Polizei leite Ermittlungen ein, um den Sachverhalt aufzuklären, sobald sie von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhalte.
Sie finden die ganze Darstellung auf der eigens eingerichteten Homepage:
https://www.pimmelgate-süd.de/
Nicht nur das Verhalten der Staatsanwaltschaft Augsburg in der Pimmelgate Süd Affäre, sondern zahlreiche Kritikpunkte an der Arbeitsweise der Staatsanwaltschaft Augsburg finden sich auf dem Wikipedia Eintrag der Staatsanwaltschaft Augsburg (in der Quellenangabe).
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