Die Missbrauchsfälle in der katholischen und evangelischen Kirche geht schon in die Tausende. Weltweit werden immer mehr Fälle von Kindermißbrauch bekannt. Ein kurzer Abriß.
Nach dem Bekanntwerden der ersten Fälle von Sexuellem Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche traten Tausende Opfer von Kindermissbrauch an die Öffentlichkeit. Das Phänomen sind keine Einzelfälle. Erste kirchliche Maßnahmen gegen sexuellen Missbrauch gab es schon im 2. Jahrhundert.
Vermehrt bekannt wurden Kindermissbrauchsfäle ab Mitte der 1980er Jahre, wei man den Umgang der Kirche mit Opfern und Tätern als nicht angemessen erachtete. Im Juni 1985 kritisierte der National Catholic Reporter auf der Titelseite das System der Kirche im Umgang mit Opfern und Täter von Kindermissbrauch als vollkommen unzureichend. Seit den 1990er Jahren weitereren sich die Skandale auf andere englischsprachigen Länder aus, etwa Irland. Nach der John-Jay-Studie gab es im Zeitraum 1950 bis 2002 bei der katholischen Kirche in den USA insgesamt 10.667 Anschuldigungen wegen sexuellen Missbrauch.
In den 1990er und 2000er Jahren kamen dann vermehrt Fälle von Kindermissbrauch in Deutschland ans Licht. Die Dunkelziffer bei Taten von sexuellen Missbrauch ist bis heute sehr hoch. Wir beziehen uns hier hauptsächlich auf Fälle aus Deutschland. In den Quellenangaben gibt es weiterf¨hrende Literatur auch weitweit.
Anfang 2020 wurden Missbrauchsfäle am Cansius-Kolleg (Jesuiten) in Berlin bekannt. Die die vermehrte Berichterstattungen über dieses Thema kamen immer mehr Fälle an die Öffentlichkeit. In den USA waren die Opfer zwischen 14 und 17 Jahre und die Übergriffe im Umfeld der Messdienerarbeit, bei Ferienfreizeiten und in Internaten.
Durch den öffentlichen Druck reagierte die römisch-katholische Kirche in Deutschland und die Deutsche Bischofskonferenz mit der Aufarbeitung von Kindermissbrauch bis hin zu Zahlungen an Missbrauchsopfer.
1845 erschien das antiklerikales Buch "Historische Denkmale des christlichen Fanatismus", ab 1891 auch als Pfaffenspiegel bekannt. Autor war der ostpreußische Autor Otto von Corvin (1812-1886). Das Buch erlebte bis ins 20. Jahrhundert immer wieder neue Auflagen. Es handelt von Vorwürfen sexuellen Missbrauchs durch Geistliche. Verschiedene Ausgaben des Pfaffenspiegel finden sich als Download auf archive.org (siehe Quellenangaben).
Auch die Historikerin Irmtraut Götz von Olenhusen untersuchte mehrere Fälle von Priestern, denen man im 19. Jahrhundert Vergewaltigung oder Unzucht mit Minderjährigen vorgeworfen hatte.
Zur Zeit des Nationalsozialismus gab es rund 2.500 Ermittlungsverfahren gegen Pfarrer und Ordensangehörige, bei denen rund 250 Strafprozesse geführt wurden und 40 mit Freispruch endeten.
1995 leitete die Staatsanwaltschaft Kassel ein Ermittlungsverfahren gegen Weihbischof Johannes Kapp und Erzbischof Johannes Dyba ein, um die Praxis der Versetzung ohne Amtsenthebung pädokrimineller Priester zu überprüfen. Das Verfahren wegen Verletzung der Fürsorgepflicht wurde bereits im November 1996 wegen geringer Schuld (gem. §153 Abs. 1 StPO) wieder eingestellt.
2005 wurde erstmals ein Opfer von Kindermissbrauch entschädigt. Norbert Denef, der vom 10. bis zum 18. Lebensjahr missbraucht worden war, erhielt vom Bistum Magdeburg ein Entschädigung von 25.000 Euro. Das Bistum hatte schon 2003 eine Entschädigung angeboten, verbunden mit einer Schweigepflicht, die Denef nicht angenommen hatte.
Anfang 2009 richtete den Runden Tisch Heimerziehung ein. Ehemalige Heimkinder berichteten von sexuelle Übergriffe und sexuelle Gewalt bis hin zu jahrelang wiederholten Vergewaltigungen.
Im Februar 2010 forderte die FDP von der katholischen Kirche die Einrichtung eines Entschädigungsfonds.
Vertreter von Opfern forderten eine pauschale Entschädigung vn 82.000 Euro. die Bischöfe entgegneten, dass Gerichte ü,licherweise Entschädigungszahlungen von 5.000 bis 10.000 Euro je Opfer verhängten. Im Januar legten die Bischöfe ein Lösung vor, nach der eine Million Euro an die 205 bisher namendlich bekannte Missbrauchsopfer verteilt wird, was rund 4.800 Euro pro Opfer entsprach. Norbert Denef forderte, dass die Entschädigung der Opfer von Kindermissbrauch "kein barmherziges Almosen" sein sollen. Er kritisierte die angebotenen Schmerzensgelder als viel zu niedrig.
Im September 2021 wurde bekannt, dass die Kirchen Fällt von Kindermissbrauch in Deutschland unter dem Tisch kehren wollten, indem sich angeklagte Pfarrer verdeckt in Ländern Lateinamerikas aufhalten konnten.
Im Juli 2002 schätzte Franz Grave, Weihbischof im Bistum Essen, etwas mehr als zwei Prozent der insgesamt 18.000 Priester in Deutschland seien "pädophil". Eine Studie der American Psychiatric Association kam 1999 zu dem Schluss, dass Täter von Kindermissbrach mehrheitlich nicht pädophil seien. Pädophilie sei als Neigung von dem Vergangen 'sexueler Missbrauch' zu unterscheiden.
Die Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung Christine Bergmann veröffentlichte 2011 Zahlen. Vom 9. April 2010 bis 17. Mä,rz 2011 gingen 11.395 Anrufe von Betroffenen ein. Davon kam in 6.820 Fällen ein Gespräch zustande. Auch hätten sich viele schriftliche gemeldet. Insgesamt kamen 4.573 verwertbare Fälle sexuellen Missbrauchs zusammen.
Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten entschied Anfang 2012, dass die katholische Kirche angesichts des massenweisen Kindermissbrauch durch Pfarrer auch als "Kinderficker-Sekte" bezeichet werden darf.
05.10.2021. In Frankreich untersuchte eine unabhängige Kommission jahrelang Fälle von sexuellen Missbrauchs. Nun veröffentlichten Sie ihren Bericht. Darin kommt die Kommission auf rund 330.000 Missbrauchsfälle alleine in Frankreich.
05.12.2021. Das Erzbistum Köln zahlte 2,8 Milionen Euro an Anwälte. Das ist fast doppelt so viel wie Betroffene Opfer sexueller Gewalt seit 2010 erhielten. "Erbärmlich und unverfroren" kritisieren Opfervertreter.
19.04.2022. Das Erzbistum Köln zahlt private Spielschulden von Kardinal Rainer Maria Woelki - teilweise aus einem Fonds, aus dem auch Missbrauchsopfer entschädigt werden sollten. Opfervertretungen sind empört.
31.05.2022. Weil er gegen seinen biologischen Vatater und das Erzbistum Paderborn hat das Kind eines Priesters eine Niederlage erlitten. Der BGH wies die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurück. Der Mann hatte vor dem Paderborner Landgericht und dem Oberlandesgericht Hamm geklagt. Beide Gerichte wiesen die Klagen ab. Der Mann forderte 20.000 Euro Schadenersatz von seinem biologischen Vater, einem katholischen Priester, der seine Vaterschaft jahrzehntelang geleugnet hatte.
25.08.2022. Nach Zeitungsberichten vertuschte das Bistum Trier jahrzehntelang Kindermissbrauch mit insgesamt 513 Opfer und 195 Täter seit 1946. Täter wurden innerhalb und außerhalb des Bistums versetzt, auch um sie vor strafrechtlicher Verfolgung zu bewahren.
27.08.2022. Nach Informationen des SPIEGEL hat Kardinal Rainer Maria Woelki vor sieben Jahren eigenhändig Listen geschreddert, auf denen Namen missbrauchsverdächtiger Priester standen. Das Erzbistum Köln behauptet nun, das die Daten nicht verloren seien.
29.11.2023. Das kirchliche Gericht der Diöozese Rottenburg-Stuttgart hat einen ehemaligen katholischen Pfarrer wegen des Besitzes von kinderpornograischen Dateien verurteilt. Er kommt mit einer Geldstrafe von 10.000 Euro an den Kinderschutzbund davon. Bei dem Priester hatte die Polizei mehr als 6.000 kinderpornogratische Dateien sichergestellt.
03.02.2023. Der Milliardenkonzern katholische Kirche hat die Portokasse aufgemacht und bewilligte 40 Millionen Euro für Missbrauchopfer. 2021 seien es rund 13 Millionen Euro gewesen, 2022 rund 28 Millionen.
In 143 Fällen seien Entschädigungen von mehr als 50.000 zuerkannt worden. In 24 Fällen sogar mehr als 100.000 Euro.
Alleine an Kirchensteuer nahm der Konzern 2023 rund 6,52 Milliarden Euro ein.
03.02.2022. Die katholische Kirche hat Missbrauchsopfer im Schnitt rund 22.150 Euro gezahlt. 2021 seien 1.839 Anträge von Missbrauchsopfer in der katholischen Kirche eingegangen. Rund 87 Prozent der gestellten Anträge seien bereits entschieden. Insgesamt wurden knapp 33 Millionen Euro bewilligt.
13.06.2023. Das Erzbistum Köln muss einem Missbrauchsopfer Schmerzensgeld in Höhe von 300.000 Euro leisten.
17.07.2023. Im Fall Dillinger hat ein Bürger Strafanzeige gegen die Staatanwaltschaft Saarbrücken gestellt, weil sie Beweismittel vernichtet habe. Der verstorbene Priester Dillinger hatte sich des sexuellen Missbrauch schuldig gemacht.
12.09.2023. Eine Studie der Uni Zürich kommt auf 1.000 Missbrauchsopfer in der katholischen Kirche in der Schweiz.
25.11.2024. In der oberpfälzischen Eslarn (Bayern) trägt eine Straß den Namen eines wegen Kindermissbrauch verurteilten Priesters. Bürgermeister und Gemeinderat boten eine Umbenennung an. Doch 57,7 Prozent der Bürger stimmten gegen eine Umbenennung.
09.12.2024. Ein katholischer Preister aus Recklinghausen wurde wegen Besitz von 2.500 Kinderpornos in Form von Bilder und Videos zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. (AZ.: 26b LS 56/24)
Auch in der Evangelischen Kirche kam es massenweise zu sexuellen Missbrauch von Kindern und Schutzbefohlenen. Die umstrittene ForuM-Studie aus dem Januar 2024 bildet nur die Spitze des Eisbergs an. Nach offiziellen Angaben des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland gab es in der Evangelischen Kirche und Diakonie seit etwa 1950 genau 881 Fälle sexualisierter Gewalt. Bis 2019 seien rund 770 Opfer ermittelt worden, die meisten davon waren Heimkinder in diakonischen Einrichtungen.
Die umstrittene ForuM-Studie ist das evangelische Gegenstück zur katholischen MHG-Studie. Doch die Studie ist umstritten, weil viele Fälle nicht untersucht worden, wie das ARD-Magazin Monitor herausfand. Nach offiziellen Anaben seien seit 1946 mindestens 2.225 Menschen missbraucht, davon zwei Drittel der Opfer männlich. Insgesamt wurden 1.259 Beschuldigte genannt. 511 von ihnen seien Pfarrpersonen gewesen und nahezu alle männlich.
Bei der ForuM-Studie wurden 4.282 Disziplinarakten der Evangelischen Kirche untersucht. Bei der katholischen MHG-Studie waren es 38.000 Personalakten.
Der Konzern Evangelische Kirche nahm alleine an Kirchensteuer 2023 rund 5,91 Milliarden Euro ein.
24.01.2024. Verhinderte die Evangelische Kirche die Aufklärung von sexuellem Missbrauch? Angeblich soll eine deutschlandweite Studie mit Fallzahlen veröffentlicht werden. Doch nach Angaben des ARD-Magazin "Monitor", seien viele Fälle nicht untersucht worden.
20.11.2023. Annette Kurschus, Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschland ist nach Verdacht von Vertuschungen von sexuelen Übergriffen eines Mitarbeiters der evangelischen Kirche gewusst haben und vertuscht haben soll.
Quellen anzeigen
https://www.spiegel.de/panorama/annette-kurschus-ekd-ratsvorsitzende-tritt-wegen-moeglicher-missbrauchsvertuschung-zurueck-a-36731049-8d50-4665-ab61-d07c85c32309
https://www.spiegel.de/panorama/evangelische-kirche-ekd-vorsitzende-annette-kurschus-soll-sexuelle-uebergriffe-vertuscht-haben-a-0c525bf5-375e-4d00-8a69-c444bc2a5fe7
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