22.12.2024 — von Thorsen Liebknecht
Das Gesundheitssystem in Deutschland ist ein einziger großer Selbstbedienungsladen. Die Gesundheitsausgaben 2023 sind auf eine Rekordsumme von 306,4 Milliarden Euro gestiegen. Der Bundeszuschuss für Krankenkassen betrug 2024 rund 14,5 Milliarden Euro. Und alle bedienen sich und verdienen daran: vom Krankenhaus bis Krankenversicherung, Hausarzt bis Zahnarzt, Apotheken, Pflegedienste, Pflegeheime und Pharmaindustrie.
Verschiedene Autoren der Abendpost haben schon ein gerechtes Gesundheitssystem angeregt. Hier nun eine Zusammenfassung mit einem erweiterten Update.
Das Bundesgesundheitsministerium unter Karl Lauterbach (SPD) hält sich rund 700 Mitarbeiter und hat ein Haushaltsvolumen von 24,48 Milliarden Euro (2023). Samt zwei Parlamentarische Staatssekretäre und zwei beamtete Staatssekretäre. Plus die untergeordneten Behörden Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (MfArM), die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), das Paul-Ehrlich-Institut (PEI, Bundesinstitut fü,r Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel) udn das Robert-Koch-Institut (RKI, Bundesinstitut für Infektionskrankheuten und nicht übertragbare Krankenheiten).
Plus 16 Gesundheitsministerien samt Gesundheitsminister in den Bundesländern.
In Deutschland gibt es 95 gesetzliche Krankenkassen (Stand 1. Januar 2024) und rund 40 private Krankenkassen.
2023 waren rund 74,3 Millionen Versicherte in der gesetzlichen Krankenkasse (rund 90% der Bevölkerung), davon aber 58,2 Millionen Beitragszahler und 16,04 Millionen beitragsfrei (z.B. Familienangehörige). 8,7 Millionen waren privat (2021).
2024 erhielt die gesetzliche Krankenversicherungen einen Bundeszuschuss von 14,5 Milliarden Euro.
Viele Krankenkassen bezahlen auch unsinnige Behandlungsmethoden wie die Homöopathie, von der viele glauben, es sei Naturheilkunde statt eine Medizin ohne nachgewiesene Wirkung.
Warum gibt es keine eine staatliche Krankenversicherung — ohne Beamte und ohne hoch bezahlten Angestellte? Eine Versicherung, in die alle einbezahlen, Steuerzahler, Selbstständige, Beamte, Politiker, Rentner (ermäßigter Beitrag).
Deutschland hat 1.874 Krankenhäuser, von denen nur knapp über 500 unter öffentlicher Trägerschaft stehen. Die Kosten für Krankenhäuser steigen auf über 100 Milliarden Euro im Jahr, doppelt so viel wie 2006. 2023 waren es 94 Milliarden Euro, die die gesetzliche Krankenkassen bezahlt haben.
Die Katholische Kirche betrebt in deutschland 261 katholische Krankenhäuser mit 330 Standorten. Die Evangelische Kirche betreibt etwas mehr als 200 evangelische Krankenhäuser. Das DRK betreibt 49 Krankenhäuser. Für alle gilt: Auch wenn das Firmenlogo DRK o.ä. am Krankenhaus hängt, wird es vom Steuerzahler bezahlt. Die Betreiber beteiligen sich i.d.R. nicht an den Kosten.
Die Finanzierung der Krankenhäuser erfolgt nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz. Bundesländer fördern die Krankenhausinvestitionen etwa Neubau oder Sanierungsmaßnahmen. Die Betriebskosten der Krankenhäuser tragen die Krankenkassen nach Behandlung von Patienten.
Nach dem der Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), dem Dachverband der Krankenhausträger sich wegen der hohen Inflation und den damit gestiegenen Energiekosten kritisiert hatten, erhielt Kliniken rund acht Milliarden Euro an Zuschüssen extra.
Warum sind Krankenhäuser nicht staatlich, wenn sie doch der Steuerzahler bezahlen muss? Wenn jemand auf eine bestimmte Behandlung wert legt, etwa besondere Religionen, dann bitte nicht auf Kosten der Allgemeinheit. Private Krankenhäuser müssen auch privat finanziert werden.
Die SWR Dokumentation "Operieren und kassieren - Wenn Ärzte Rendite bringen sollen" zeigt, wie skrupellos Krankenhäuser vorgehen, wenn es um abkassieren geht: Eine Frau, die an der Halswirbelsäule operiert wird, obwohl es gar nicht hätte sein müssen. Menschen, denen unnötigerweise Zehen amputiert werden sollten. Angeh&oum;rige älterer Menschen, die berichten, wie ihre Verwandten in verschiedenen Krankenhäusern mit immer neuen Eingriffen buchstäblich zu Tode operiert worden seien. Gutachten, die bescheinigen, dass bei all diesen Eingriffen niemals eine Chance auf Heilung bestanden habe. Die Vermutung: Es sei ums Geld gegangen. Den Umsatz brächten aufwändige Operationen und moderne Apparatemedizin.
Die Dokumentation auf YouTube:
https://www.youtube.com/watch?v=_mbnP_ds-54
Bei der Organspende verdient jeder, ausser der Spender. 2022 wurden 2.662 Organe gespendet, auf der Warteliste stehen 8.500 Patienten. Für die Kliniken lohnt es sich: Die Reform des Transplantationsgesetz erhöhte die Fallpauschalen für die Entnahmekliniken von 5.310 Euro auf 19.752 Euro pro Entnahme-Operation. Eine Entschädigung der Hinterbliebendenen der Spender ist nicht vorgesehen. Damit stieg die "Aufwandserstattung Entnahmekrankenhäuser" von 6,3 Millonen (2019) auf rund 23 Millionen (2022).
Seit Jahren ist eine Widerspruchslösung bei Organspenden in der Diskussion, wie es sie in Nachbarländern auch gibt. Dabei soll jeder, der nicht widerspricht, Organspender werden.
Jedes Jahr kommt es in deutschen Kliniken zu tausenden vermeidbarer Todesfälle; statt Patienten in Spezialkliniken zu behandeln.
24.11.2023. Im Bundesrat haben die Bundesländer das geplante Transparenzgesetz für Krankenhäuser, in der die Qualität von Kliniken abgefragt werden konnte, gestoppt.
In Deutschland gibt es eine ganze Reihe Rettungsdienste, von Feuerwehren, Städte bis zu Unternehmen wie Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), Deutsches/Bayrisches Rotes Kreuz (DRK/BRK), Johanniter-Unfall-Hilfe (evangelische Kirche), Malteser Hilfsdienst (katholische Kirche), um die bekanntesten zu nennen und zahlreiche kleine auch teilweise gemeinnützige Rettungsdienste.
2002 bis 2017 haben sich die Ausgaben für Rettungswagen von rund 800 Millionen auf rund 2,3 Milliarden fast verdreifacht. Plus eine weitere Milliarde Euro für den Einsatz von Notarztwagen (2017).
Ein privater Rettungsdienst hatte geklagt, weil es keine Ausschreibung hab. Der Europäischen Gerichtshof (EuGH) entschied, das Rettungsdienste nicht per Ausschreibung vergeben werden müssen. Die EU-Vergaberichtlinie von 2014 sieht vor, dass auch Dienstleistungen des Katastrophen- und Zivilschutzes sowie der Gefahrenabwehr ohne Ausschreibung an "gemeinnützige Organisationen" vergeben werden dürfen, auch wenn diese Organisation noch so fragwürige Praktiken hat.
05.01.2024. Hamburg hat die Gebühren für den Rettungsdienst um mehr als 30 Prozent erhöht. Kostete eine Fahrt mit dem Rettungswagen der Feuerwehr vorher noch 530 Euro sind jetzt rund 700 Euro fällig. Kritik kommt von den Krankenkassen.
Warum werden Rettungsdienste nicht direkt von den Krankenhäusern betrieben, anstatt Milliarden an Rettungsdienste in Konzernen versickern zu lassen.
In Deutschland gibt es mehr als 55.000 Hausärzte. Hausarzt kassiert 240.000 Euro bis 310.000 Euro pro Jahr. Ein Hausarzt ohne eigene Praxis verdient im Durchschnitt rund 76.000 Euro jährlich. Hausärzte mit eigener Praxis kommen auf ein Einkommen von rund 250.000 Euro pro Jahr.
Warum werden solche Dienstleistungen nicht in staatlichen Krankenhäusern angeboten, statt Millionen an Hausärzte zu verteilen, deren Leistungen oftmals sehr zu wünschen übrig läßt?
09.01.2024. Die Bundesregierung will die Honorarobergrenze für Hausärzte streichen. Die Obergrenze war auch der Grund, warum viele Arztpraxen zum Quartalsende geschlossen waren.
30.06.2022. Nach offiziellen Zahlen des Medizinischen Dienst kam es 2021 zu mehr als 3.500 Behandlungsfehler in Kliniken und Arztpraxen. Die Dunkelziffer düfte um ein vielfaches höher sein. Patientenvertreter fordern ein bundesweites Register.
22.08.2024. Der Medizinische Dienst zählte 2023 wieder rund 3.160 Behandlungsfehler mit 75 Toten.
03.12.2024. Für sogenannte IGeL-Angebote haben Hausärzte vergangenes Jahr (2023) rund 2,4 Milliarden Euro kassiert. Das sind Leistungen, die nicht von der Krankenkasse bezahlt werden und die der Patient aus eigener Tasche bezahlen muss. Die meisten dieser Angebote sind sehr fragwürdig und ohne medizinisch nachgewiesenem Nutzen. Die Zahlen stammen aus einer Umfrage des Medizinischen Dienstes (MD), daher kann die Dunkelziffer durchaus höher liegen. Dazu zählen etwa Akupunktur zur Migränevorbeigung, Lichttherapie bei sog. Winterdepression. Immer mehr Politiker fordern ein Verbot solcher unsinnigen Angebote.
Hausärzte, vertreten durch die "Kassenärztliche Vereinigung" forderten 2023 für eine Corona-Impfung eine Vergütung von 28 Euro. Die Krankenkassen haben acht Euro angeboten, wie bei einer Grippe-Impfung. Auch Apotheker fordern 28 Euro "Impfhonorar" für Grippe-Impfungen.
Die Bundeszahnärztekammer zählt in Deutschland 72.767 aktive Zahnärzte. Davon 45.541 mit eigener Zahnarztpraxis und 27.226 Zahnärzte im Angestelltenverhältnis.
Angestellte Ärzte in Deutschland kassieren rund 95.000 Euro jährlich und damit das doppelte aus der Durchschnitt. Angestellte Zahnärzte bringen es auf 63.100 Euro. Selbstständige Zahnärzte kommen auf gut 200.000 Euro im Jahr (2023). Immer mehr angestellte Zahnäzte erhalten Umsatzbeteiligungen. Aber wie findet man einen guten Zahnarzt, wenn die meisten nur Abzocker sind? Gegen negative Bewertungen wie Google Maps gehen Zahnärzte und Apotheker mit Anwälten vor und lassen diese löschen. Die beste Werbung ist die Mund zu Mund Propaganda. Wenn also ein guter Bekannter zufrieden ist mit seinem Zahnarzt, wird er gerne seine Erfahrungen teilen. Und umgekehrt genauso davor warnen, bei schlechten Erfahrungen.
Warum gibt es keine normalen Zahnärzte in staatlichen Krankenhäusern, statt Milliarden an Zahnärzte zu verteilen, deren Leistungen oftmals sehr zu wünschen übrig läßt? Wenn man sich die Statistiken z.B. zu Brücken oder Zahnersatz anschaut, sind die wenigsten zufrieden damit. Doch gegen Zahnärzte zu klagen ist wenig aussichtsreich.
In Deutschland gibt es 6.511 Dermatologen (Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten), 9.938 Radiologen, 8.135 Augenärzte, 9.636 Neurologen, 41.287 Chirurgen, 16.803 Kinder- und Jugendmedizin (-ärzte), 12.358 Anästhesiologie, 19.530 Frauenheilkunde und Geburtshilfe, 25.797 Ärzte für Innere Medizin.
Viele Ärzte in Deutschland haben ihre eigene Praxis, die der Patient mit finanzieren muss. Warum bietet man solche Dienstleistungen nicht in staatlichen Krankenhäuser an?
In Deutschland gibt es 12.950 Apotheker mit insgesamt 17.571 Apotheken (Betriebssätten). Hinzu kommen 3.194 Apotheken mit Versandhandelserlaubnis. Apotheker Robert Herold aus Sachsen macht seit Jahren auf enorme Gewinne bei Krebstherapien aufmerksam. Aber die zuständigen Krankenkassen interessiert das nicht.
Warum kann man seine Medikamente nicht im Krankenhaus abholen? Statt Tausende private Apotheken zu finanzieren?
Über die Pharmaindustrie mit ihren Milliardengewinnen und fragwürdigen Praktiken mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln braucht man wohl keine Worte mehr zu verlieren. Darüber wird immer wieder im Fernsehen berichtet. Doch Konsequenzen? Nein, die gibt es nicht. Die Pharmaindustrie in Deutschland macht einen Umsatz von 220 Milliarden Euro im jahr (2021). Der TK-Chef fordert Gewinn-Deckel für Pharmaindustrie.
Zu den größten Pharmahersteller zählen unter anderem Novartis, Roche, Sanofi-Aventis, Pfizer, Bayer, Gilead Sciences, Teva Pharma, MSD, Johnson & Johnson, AbbVie.
In Deutschland gab es 2023 insgesamt 16.505 Pflegeheime und 15.549 Amulante Pflegedienste (2024).
Warum legt man Krankenhäuser, Pflegeheime und Pflegedienste zusammen?
Unternehmen wie das Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), Deutsche Rote Kreuz (DRK), Libify, Malteser Hilfsdienst oder Vitakt oder bieten einen sogenannten Hausnotruf an.
In der RTL-Sendung "Team Wallraff — Reporter undercover" kamen nach dem drücken des DRK-Hausnotruf nicht immer ausgebildeten Helfer. Oft waren es nicht einmal ausgebildeten Rettungssanitäter. Im Notfall sollte eher ein Krankenwagen gerufen werden als auf solche Dienste zurückzugreifen. In Deutschland besitzen etwa 400.000 Haushalte einen DRK-Hausnotrufknopf, der am Körper wie eine Uhr getragen wird. 45 Euro im Monat wird dafür fällig. Davon werden von der Pflegekasse rund 25,50 Euro übernommen. Nicht nur RTL hat negative Erfahrungen damit gemacht, auch Stiftung Warentest kam zu dem Ergebnis, dass der Hausnotruf zu wünschen übrig lässt.2017 fältte der Bundesgerichtshof ein Urteil zur Haftung bei einem "Hausnotrufvertrag" (Urteil vom 11. Mai 2017 — III ZR 92/16)
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