Dezember 29, 2008
Deutschland im Jahr 2008. Eine Atomkraftgegnerin zahlte einen fünf Euro Bußgeldbescheid nicht und wurde deswegen nun in Erzwingungshaft genommen. Doch dies ist kein Einzelfall! Es ist nur die Spitze des Eisbergs von Polizeigewalt in Deutschland.
Eine Atomkraftgegnerin aus Lüneburg muss wegen eines nicht bezahlten Bußgeldes von 5 Euro nun einen Tag in Erzwingungshaft. Cécile Lecomte sei am Dienstag von der Polizei verhaftet und in die Justizvollzugsanstalt Hildesheim gebracht worden, berichten Unterstützer der 26jährigen.
Das Amtsgericht Hannover hatte im August 2008 die Erzwingungshaft angeordnet. Lecomte ließ den genannten Antrittstermin verstreichen. In einem Offenen Brief an das Gericht erklärte sie: "Gehorsam kann man nicht erzwingen". Gleichzeitig legte die Atomkraftgegnerin Verfassungsbeschwerde wegen "Unverhältnismäßigkeit" der Erzwingungshaft ein.
Das Bußgeld gegen sie wurde verhängt, nachdem sie sich im November 2006 an einer Demonstration auf Bahnschienen gegen einen Castortransport nach Gorleben beteiligt hatte. Die Französin nahm in den vergangenen Jahren mehrfach bei Protestaktionen gegen Atomkraft und Umweltverschmutzung teil.
Das Bußgeld will sie auch nach ihrer Entlassung aus der Haft nicht bezahlen.
Die Anordnung von Erzwingungshaft ist in Deutschland in den §§ 96 ff. des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) geregelt. Die Vollstreckung richtet sich nach den §§ 451 ff. der Strafprozessordnung (StPO). Die Haft ist keine Strafe für die begangene Ordnungswidrigkeit, sondern stellt ein Beugemittel dar.
Das Gericht kann Erzwingungshaft anordnen, wenn die Geldbuße nicht gezahlt wird und der Betroffene nicht erklärt, warum er nicht zahlen kann. Im Bußgeldbescheid muss er auf die Möglichkeit der Erzwingungshaft hingewiesen worden sein. Die Dauer der Haft wegen einer Geldbuße darf sechs Wochen, wegen mehrerer in einer Bußgeldentscheidung zusammengefasster Geldbußen drei Monate nicht übersteigen. Sie wird unter Berücksichtigung des zu zahlenden Geldbetrages nach Tagen bemessen und kann nachträglich nicht verlängert, sondern nur abgekürzt werden.
Unabhängig von einer Geldbuße kann Erzwingungshaft nach § 70 Abs. 2 StPO zur Erzwingung einer Zeugenaussage - im Rahmen eines Verfahrens angeordnet - werden. In solchen Fällen endet die Erzwingungshaft entweder mit dem Abschluss des zugrundeliegenden Verfahrens oder aber spätestens nach sechs Monaten nach Beginn der Erzwingungshaft.
Die Erzwingungshaft ist nicht zu verwechseln mit der Ersatzzwangshaft.
Der Betroffene kann die Vollstreckung jederzeit abwenden oder beenden, indem er den geforderten Geldbetrag bezahlt. Der Vollzug der Haft befreit jedoch nicht von der Zahlungspflicht.
Gegen die Anordnung ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zulässig (§ 311 StPO).
Für den Vollzug der Erzwingungshaft gelten gemäß § 171 des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) die Vorschriften über den Vollzug einer Freiheitsstrafe entsprechend. Eine gemeinsame Unterbringung mit "kriminellen" Gefangenen ist nur mit Einwilligung des Betroffenen zulässig. Ebenfalls muss der Betroffene keine Anstaltskleidung tragen, darf eigene Bettwäsche benutzen und ist zur Zwangsarbeit in der Anstalt im Gegensatz zum "kriminellen" Gefangenen nicht verpflichtet.
In das Bundeszentralregister werden weder die Anordnung der Haft noch die Festsetzung der Geldbuße eingetragen.
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